Der Leuchtturmwärter: Kriminalroman (German Edition)
Auftragsdiebstahl. Aber dann finden wir es hier draußen nicht. Bestellte Boote werden üblicherweise woanders hingefahren, dort an Land gezogen und mit einem Trailer abtransportiert.«
Peter fuhr rechts an den kleinen Vinninge-Inseln vorbei. »Bei Dannholm müssen wir umkehren. Sonst macht sich meine Familie Sorgen.«
»Ja«, sagte Gunnar. »Können wir morgen wieder rausfahren?«
Peter sah ihn an.
»Klar. Komm gegen zehn, dann machen wir uns zusammen auf die Suche. Aber nur falls kein Notruf eingeht.«
»Gut. Dann bin ich zur Stelle.« Gunnars Blick irrte noch immer von Insel zu Insel.
Mette hatte sie zum Abendessen zu sich nach Hause eingeladen. Das machte sie öfter, und jedes Mal tat sie, als ob sie wieder an der Reihe wäre, weil Madeleine sich in der Zwischenzeit revanchiert hatte. Madeleine spielte mit, obwohl sie es erniedrigend fand, dass sie sich nie erkenntlich zeigen konnte. Sie träumte davon, beiläufig zu Mette zu sagen: »Wollt ihr nicht heute Abend mit uns essen? Ich koche eine Kleinigkeit.« Aber das ging nicht. Sie konnte es sich nicht leisten, Mette und ihre drei Kinder zum Essen einzuladen. Sie hatte kaum genug für Kevin, Vilda und sich.
»Bist du sicher, dass es dir nicht zu viel wird?«, fragte sie, als sie sich in Mettes gemütlicher Küche an den Tisch setzte.
»Natürlich. Für meine drei Fresssäcke koche ich doch sowieso, da kommt es auf ein paar Leute mehr gar nicht an.« Liebevoll zerzauste Mette ihrem mittleren Sohn Thomas das Haar.
»Hör auf, Mama«, zischte er, aber Madeleine sah, dass es ihm eigentlich gefiel.
»Ein Schluck Wein?« Mette zapfte Rotwein aus einer Box, ohne Madeleines Antwort abzuwarten.
Sie drehte sich um und rührte in den Töpfen. Madeleine nippte an ihrem Weinglas.
»Habt ihr die Kleinen im Blick?«, rief Mette in die Wohnung und erhielt zwei Jas als Antwort. Ihre beiden Jüngeren waren ein zehnjähriges Mädchen und der dreizehnjährige Thomas, von denen sich Kevin und Vilda magnetisch angezogen fühlten. Der Älteste, ein Junge von siebzehn Jahren, war mittlerweile nur noch selten zu Hause.
»Ich befürchte eher, dass sie deinen Kindern auf den Geist gehen.« Madeleine trank noch ein bisschen Wein.
»Ach was, du weißt doch, dass sie die beiden wahnsinnig mögen.« Mette trocknete sich die Hände an einem Geschirrtuch ab, schenkte sich auch ein Glas Wein ein und setzte sich Madeleine gegenüber.
Rein äußerlich hätten sie gar nicht unterschiedlicher sein können, dachte Madeleine, die sich für einen Moment von außen betrachtete. Sie war klein und blond und hatte eher den Körperbau eines Kindes als einer Frau. Mette erinnerte an die berühmte Fruchtbarkeitsstatue, an die sich Madeleine noch aus der Schulzeit erinnerte. Sie war groß und kurvenreich, und ihr volles rotes Haar schien ein Eigenleben zu führen. Ihre grünen Augen glitzerten immer, obwohl auch sie in ihrem Leben Schläge abbekommen hatte, die ihnen längst den Glanz hätten austreiben müssen. Mette schien eine Schwäche für weiche Männer zu haben, die nach kurzer Zeit abhängig von ihr waren und dann meistens wie hungrige Vogeljunge herumsaßen und Forderungen stellten. Irgendwann habe sie meistens die Nase voll, hatte Mette erzählt. Es dauerte jedoch nicht lange, bis das nächste Vogeljunge in ihr Bett kroch. Daher hatten die Kinder drei verschiedene Väter. Wenn sie nicht alle Mettes rote Haare geerbt hätten, wäre man nie auf die Idee gekommen, dass sie Geschwister waren.
»Wie geht es dir, Süße?« Mette drehte ihr Glas zwischen den Fingern.
Madeleine erstarrte. Obwohl Mette ihr offenherzig von ihrem Leben und ihren Enttäuschungen erzählt hatte, wagte Madeleine nie, es ihr gleichzutun. Sie war so daran gewöhnt, ständig Angst zu haben und zu befürchten, sie habe schon zu viel verraten. Deswegen hatte sie zu allen einen gewissen Abstand gehalten. Zu fast allen.
Doch ausgerechnet in diesem Moment, als an einem Sonntagabend in Mettes Küche das Essen auf dem Herd stand und der Wein sie von innen wärmte, konnte sie sich nicht mehr dagegen wehren. Sie fing an zu erzählen. Als die Tränen kamen, rückte Mette ihren Stuhl zu Madeleine heran und drückte sie. In Mettes Armen erzählte sie alles. Sogar von ihm. Obwohl sie sich in einem fremden Land befand und ein fremdes Leben lebte, war er ihr noch immer nah.
Fjällbacka 1871
K arls Hass auf sie schien mit dem Kind in ihrem Bauch zu wachsen. Denn inzwischen hatte sie begriffen, dass er sie hasste. Auch wenn sie
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