Der Leuchtturmwärter: Kriminalroman (German Edition)
angingen. In etwas, das sich zwischen zwei Menschen abgespielt hatte, die sich einmal geliebt hatten. Trotzdem zwang er sich weiterzumachen. Er sah die Leiche vor sich, die bäuchlings im Wohnungsflur lag, die klaffende Wunde am Hinterkopf und das Blut, das sich nicht nur in einer Lache auf dem Fußboden ausgebreitet hatte, sondern bis an die Wand gespritzt war. Solange er den Schuldigen nicht gefunden hatte, war es seine Aufgabe, in Privatangelegenheiten herumzuschnüffeln. Mord und Privatsphäre ließen sich nicht vereinbaren.
»Du weißt also nicht, wie spät es da war?«, fragte er sanft.
Annie biss sich auf die Lippe, und ihre Augen wurden feucht.
»Nein, er ist gegangen, während ich schlief. Ich dachte …« Sie schluckte immer wieder und schien sich mit aller Kraft zu beherrschen, als wollte sie in ihrer Anwesenheit nicht die Kontrolle verlieren.
»Hast du versucht, ihn anzurufen? Oder Signe und Gunnar nach ihm gefragt?«
Die Sonne war während ihres Gesprächs weitergewandert, und der Schatten des Leuchtturms kam immer näher.
»Nein.« Wieder begann sie zu zittern.
»Hat Mats, als er hier war, irgendetwas gesagt, das auf den Mörder hindeuten könnte?«
Annie schüttelte den Kopf. »Nein. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass jemand Matte etwas antun wollte. Er war … du kennst ihn ja. Er war noch genauso wie damals. Freundlich, aufmerksam und liebevoll. Kein bisschen verändert.« Sie senkte den Blick und strich die Wolldecke glatt.
»Wir haben gehört, dass Mats unheimlich sympathisch und beliebt war«, sagte Patrik. »Gleichzeitig gibt es in seinem Leben Dinge, aus denen wir nicht ganz schlau werden. Zum Beispiel ist er kurz vor seinem Umzug nach Fjällbacka schwer misshandelt worden. Hat er etwas von diesem Ereignis erzählt?«
»Nicht viel, aber ich habe ihn natürlich nach seinen Narben gefragt. Er sagte nur, er sei zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort gewesen und von ein paar Jugendlichen angegriffen worden.«
»Hat er etwas von seiner beruflichen Tätigkeit in Göteborg erzählt?« Patrik hatte gehofft, er würde etwas über die Misshandlung erfahren, das sein mulmiges Gefühl erklärte. Aber wieder nichts. Er landete immer in Sackgassen.
»Er sagte, er habe sich dort sehr wohl gefühlt, die Arbeit sei jedoch auch mühsam gewesen. All diesen Frauen zu begegnen, die so am Ende waren …« Ihre Stimme wurde zittrig, und Annie drehte sich wieder zum Haus um.
»Hat er sonst nichts erwähnt, das uns weiterhelfen könnte? Keine bestimmte Person, von der er sich bedroht fühlte?«
»Nein, nichts. Er hat nur betont, wie viel die Arbeit ihm bedeutet hat. Am Ende habe er sich jedoch so leer gefühlt, dass er keine Kraft mehr besaß. Nach dem Krankenhausaufenthalt beschloss er, hierher zurückzukehren.«
»Für immer oder nur für eine gewisse Zeit?«
»Ich glaube, das wusste er selbst nicht. Er sagte, er wolle von Tag zu Tag leben und erst einmal versuchen, an Leib und Seele wieder gesund zu werden.«
Patrik nickte und zögerte vor der nächsten Frage.
»Hat er erzählt, ob es eine Frau in seinem Leben gab? Oder mehrere?«
»Nein, und ich habe nicht danach gefragt. Er hat mich auch nicht nach meinem Mann gefragt. Wen wir lieben oder geliebt haben, war an diesem Abend bedeutungslos.«
»Ich verstehe«, sagte Patrik. »Das Boot ist übrigens weg«, ließ er wie nebenbei fallen.
Annie wirkte verwirrt. »Welches Boot?«
»Das von Signe und Gunnar, mit dem Mats hierhergekommen ist.«
»Ist es verschwunden? Willst du damit sagen, dass es gestohlen wurde?«
»Das wissen wir nicht. Als Gunnar danach sehen wollte, lag es nicht am Bootsanleger.«
»Matte muss doch damit nach Hause gefahren sein«, sagte Annie. »Wie hätte er sonst zum Festland kommen sollen?«
»Er ist also mit dem kleinen Holzboot gekommen und wurde nicht gebracht oder so?«
»Von wem denn?«, fragte Annie.
»Keine Ahnung. Wir wissen nur, dass das Boot nicht mehr da ist, und verstehen auch nicht, wo es abgeblieben sein könnte.«
»Er ist jedenfalls damit gekommen und muss damit auch wieder nach Hause gefahren sein.« Wieder strich sie über die Wolldecke.
Patrik sah Erica an, die ungewöhnlich still dagesessen und zugehört hatte.
»Es wird langsam Zeit, uns auf den Heimweg zu machen.« Er stand auf. »Danke, dass wir kommen durften, Annie. Mein herzliches Beileid.«
Erica stand ebenfalls auf. »Es war nett, dich wiederzusehen.«
»Das fand ich auch.« Annie umarmte Erica unbeholfen.
»Kümmere dich um
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