Der Leuchtturmwärter: Roman (German Edition)
alte Pew«, sagte Pew.
»Erzähl mir die Geschichte.«
»Alles zu seiner Zeit. Jetzt geh schlafen.«
Und ich ging, während die Flaschenpost knapp über meinem Kopf vor sich hin trieb. LIEBE , stand da.
Liebe, Liebe, Liebe
, oder war es nur das Zirpen eines nächtlichen Vogels?
Pews Geheimnis war quecksilberne Gewissheit.
Beim Versuch, den festen Gegenstand festzumachen, zersprang er in zwei Welten.
Er war einfach nur Pew; ein alter Mann mit einer Tüte Geschichten unter dem Arm und einer Art des Würstchenbratens, dass die Haut fest wurde wie eine Patronenhülse, aber er war auch eine erleuchtete Brücke, die man überqueren konnte, und sobald man sich danach umsah, war sie weg.
Er war, und er war nicht – so war Pew.
Es gab Tage, da schien er sich in der Gischt, die den Sockel des Leuchtturms besprengte, aufgelöst zu haben, und es gab Tage, da war er der Leuchtturm selbst. Er stand da, Pew-förmig, still wie Pew, wolkenbehütet, blinden Auges und dabei der anderen Licht.
Hund Jim schlief auf seinem Teppich, aus Flicken gemacht wie er selbst. Ich hatte die große Messingglocke vom Haken genommen, mit denen wir uns zum Essen oder zum Geschichtenerzählen riefen, und ich wischte mit einem Putztuch aus einem alten Unterhemd die Salzschicht von der Oberfläche.
Alles im Leuchtturm war alt – bis auf mich –, und Pew war das Älteste überhaupt, sofern man ihn beim Wort nahm.
Pew zündete sich seine Pfeife an, nahm den Kopf in beide Hände und blickte auf, als die Schiffsuhr, die man ein Mal die Woche aufziehen musste, neun Uhr schlug.
»Wie ich schon sagte, Kind, Babel Dark lebte zwei Leben. Er baute Molly ein schmuckes Haus in Bristol – nicht zu nah, aber nah genug, als müsse die Gefahr genauso umworben werden wie seine neue Frau –, und sie war seine neue Frau, denn Dark heiratete Molly in einer kornischen Kirche aus dem dreizehnten Jahrhundert, gehauen aus einem einzigen Felsblock.
Gedenket des Felsens, von dem ihr gehauen? Ja, nur an die Grube dachte er nicht mehr.
Unten im Süden trug Dark den Namen Lux und sprach mit walisischem Akzent, denn seine Mutter kam aus Wales, und er kannte den Rhythmus.
Mr Lux zahlte gut und lebte gut, wenn er mit Molly zusammen war, und Molly erklärte jedem Neugierigen, ihr Mann besitze eine Reederei, die ihn den Großteil des Jahres in Anspruch nähme, bis auf die zwei Monate, April und November, in denen er bei ihr sei.
Er befahl ihr nichts, bis auf die eine Sache, ihm niemals nach Salts zu folgen.
Eines Tages kam eine hübsche Frau und quartierte sich im Razorbill ein – das heißt im Rock and Pit – und gab ihren Namen als Mrs Tenebris an. Sie sagte nicht, was sie dorthin verschlagen habe, besuchte aber am Sonntag den Gottesdienst, wie es einer Dame geziemte.
In einem grauen Kleid saß sie in der vordersten Bank, und Dark bestieg die Kanzel, um seine Predigt zu halten, und dies waren seine Worte: ›Ich habe meinen Bund im Himmel gezogen wie einen Bogen‹, wobei er auf den Regenbogen nach der Sintflut anspielte, als Gott Noah versprach, die Welt nicht noch einmal zu zerstören – ich sage das nur, Silver, weil du nicht bibelfest bist.
Nun, während er redete, und er war ein großer Redner, fiel sein Blick auf einmal auf die erste Reihe, und er entdeckte die Dame in Grau, und nachher sagte man, er sei blass gewordenwie eine abgeschuppte Scholle. Er versprach sich kein einziges Mal, doch seine Hände umklammerten die Bibel, als wollte der Erzfeind selbst sie ihm entreißen.
Als der Gottesdienst vorbei war, wartete er nicht, um die Leute an der Kirchentür zu empfangen, er schnappte sich sein Pferd und ritt davon.
Sie sahen ihn, wie er zusammen mit seinem Hund am Rand der Klippen entlangwanderte, und sie fürchteten sich. So ein Mann war er. Er hatte etwas Furchterregendes im Blick.
Es verging eine Woche, und als wieder Sonntag war, war die Dame nicht mehr da, doch etwas von ihr war in Dark zurückgeblieben, ja, so war es. Seine Qualen waren ihm ins Gesicht geschrieben. Früher ließ er sich gern über die Tätowierungen der Seeleute aus, aber diesmal war er der Gezeichnete.«
»War es Molly?«
»Gewiss, sie war’s, o ja. Sie trafen sich übrigens, hier in diesem Leuchtturm, in diesem Zimmer, sie auf dem Stuhl, auf dem ich hier sitze – während er auf und ab und auf und ab ging und der Regen so heftig gegen die Scheibe schlug, als wollte er das Haus stürmen.«
»Worüber haben sie geredet?«
»Ich habe nur einen Teil mitbekommen – ich war
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