Der Leuchtturmwärter: Roman (German Edition)
einseitig noch mit Rinde bedeckt. Sie hatte kein Fundament; sie stand zwei Meter über dem Boden auf steinernen Trägern. So kamen die Ratten nicht ins Haus, dafür schnüffelten und scharrten die nächtlichen Tiere drunterher.
In dieser ersten Nacht in dem wackligen Einzelbett lag ich wach, während du schliefst. Ich lauschte den ungewohnten Geräuschen und sinnierte über das Wunder des Ungewohntesten von allen – deiner Atemzüge neben meinen.
Ich hatte die Steaks gebraten. Du hattest die Flasche St. Amour geöffnet, und wir tranken aus dicken altmodischen Zahnputzgläsern. Die Tür stand offen und das Feuer im Ofen zeichnete Muster auf den Fußboden. Draußen warf der Mond Schatten ins Gras, und die ersten nächtlichen Waldgeräusche stahlen sich in die Stille.
Ich war hungrig, aber ich war auch nervös. Du warst so neu, und ich wollte dich nicht verschrecken. Ich wollte mich nicht verschrecken.
Einatmen. Ausatmen. Dein Rhythmus, anders als meiner. Dein Körper, der nicht meiner ist; die gefeierte Fremdheit des anderen. Ich legte meinen Kopf an deine Brust, und es musste wohl mit den Schwingungen der Hütte zusammenhängen, denn unter deinen Atemzügen, oder durch sie hindurch, hörte ich auch einen Dachs atmen.
Die Hütte war der Atem selbst: der schmale Abzug des Ofens, in dem das Feuer nur noch glühte; das leise Zischen des Wassers, das im großen Kessel zum Kochen auf dem Herd stand; der Luftzug durchs Schlüsselloch, der die schwere Eisenkette zum Rasseln brachte; der Wind wie eine Mundorgel.
Ich drückte sanft meinen Mund auf deinen, und dein Atem ging anders, als du mich im Schlaf küsstest. Ich legte mich hin, meine Hand auf deinem Bauch, und folgte dem Auf und Ab eines fremden Landes.
Am nächsten Morgen wurde ich früh wach, steif und durstig, denn niemand kann in einem kleinen Bett mit einer nichtso-kleinen Geliebten gut schlafen. Mein Bett im Leuchtturm damals war winzig, aber das musste ich ja nur mit HundJim teilen.
Ich glaube, ich hatte die Nacht mit dir in der Fünfzehn-Zentimeter-Ritze zwischen Bettrand und Bretterwand verbracht. Du hattest dich breit gemacht, den Kopf auf beide Kissen gelegt, und du schnarchtest. Ich wollte dich nicht wecken, also ließ ich mich einfach durch die Fünfzehn-Zentimeter-Ritze rutschen und kroch unter dem Bett hervor, einen sehr verstaubten Almanach für das Jahr 1932 im Schlepptau.
Ich zog einen Pullover über und öffnete die Tür. Die Luftwar weiß und schwer. Alles war nass. Es roch nach Feldarbeit. Es war Herbst, das Heu wurde eingeholt.
Ich sah mich nach dir um. Diese Augenblicke sind Talisman und Schatz. Angehäufte Ablagerungen – unser fossiles Zeugnis –, und die Anfänge dessen, wie es weitergeht. Sie sind der Beginn einer Geschichte, sind die Geschichte, die wir immer erzählen werden.
Ich schlich mich auf Zehenspitzen zum Herd und ging mit dem schweren Eisenkessel ins Freie. Ich goss heißes Wasser in eine flache Schüssel und mischte kaltes aus unserem Plastikkanister dazu. Ich nahm einen Blumentopf als Halter für meine Seife und mein Shampoo und hängte mein Handtuch an einem Haken auf, der praktischerweise aus einer der tragenden Pfeiler der Hütte ragte. Dann zog ich mich aus und begann mir das Wasser über den Kopf zu gießen. Das Wasser übergoss meinen Körper wie Sonnenlicht. Ich dachte an dich auf Hydra, stark wie die Sonne, und ebenso frei.
Ich trocknete mich mit einem kratzigen blauen Handtuch ab. Sauber, in sauberen Sachen, die Lungen gereinigt von der feuchten Luft, weckte ich dich, als der Kaffee kochte und die Eier mit Speck fertig waren. Du warst schläfrig und träge und saßest halb dösend in meinem Morgenmantel auf den Stufen, leicht zitternd in der spätherbstlichen Sonne.
Ich liebe deine Haut; Haut wie ein Atemhauch, rührend und süß. Als ich dich berührte, liefen Schauer über deine Haut, aber nicht vor diesem kalten Morgen.
Singend machtest du den Abwasch, und dann gingen wir zusammen in die Stadt, um Koteletts und Champagner zu kaufen. Wir waren so glücklich, dass das Glück mit uns ging, und ich bezirzte einen Toilettenmann, dein Handy aufzuladen. Wir kauften ihm eine große Dose Cadbury’s Roses, undersagte, er würde sie seiner Frau mitbringen, die an Alzheimer erkrankt sei.
»Das kommt von den Aluminiumtöpfen«, sagte er. »Wir wussten’s damals nicht besser.«
Ich hatte deine Hand genommen, während er sprach. Das Leben ist so kurz und von Zufällen bestimmt. Wir begegnen uns,
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