Der Lichtritter: 1 (Oleipheas Schicksal) (German Edition)
ihr andeutete, aus strategischen
Gründen lieber zu gehen, bevor wirklich noch etwas passierte und sie am Ende in
Ketten landeten. Scheinbar hatten die wenigen Worte von Lewia aber die Bürger zum
Nachdenken bewegt, denn ein paar der Anwesenden übernahmen jetzt das Wort: „Die
Fremde hat Recht! Keiner von uns war gestern Nacht wach und so können wir gar
nicht wissen, ob sie tatsächlich zum Zeitpunkt des Mordes unterwegs war. Der
einzige, der behauptet, sie gesehen zu haben, seid Ihr! Was treibt Ihr Euch
denn des Nachts auf den Straßen herum?“ Ryan war deutlich anzumerken, wie sehr
ihn die Diskussion aufregte, denn sein Blick wurde immer zorniger, seine
Augenbrauen zogen sich immer mehr zusammen und Schweißperlen liefen ihm über
sein Gesicht. „Ihr glaubt doch dieser daher gelaufenen Fremden nicht? Hab ich
euch etwa jemals angelogen oder enttäuscht? Ich wollte immer nur das Beste für
alle! Reicht es nicht, dass ich sage, dass diese Frau eine Hexe ist? Ist mein
Wort nicht Beweis genug? Was für einen Vorteil hätte ich, falsches Zeugnis zu
behaupten? Ja, es ist wahr, dass die Nahrungsmittel aus der alten Mühle
stammen, dennoch tat ich all dies nur, um dem Hunger ein Ende zu bereiten.
Damit niemand diese Gabe ablehnte, erzählte ich niemandem, woher wir die
Nahrung hatten, schließlich ist mir bewusst, dass niemand die Mühle betreten
darf und ich bin nicht stolz auf diese Tat, dennoch um so stolzer, euch Bürger
versorgen zu können und somit kein schlechtes Oberhaupt zu sein!“ Wieder ging
ein lautes Raunen, bestehend aus einem unverständlichen Stimmengewirr, durch
den Raum. Die Bürger befanden sich nun in einer verzwickten Situation, zumal
sie nicht wussten, was sie glauben sollten, und was nicht. In zwei Hälften
geteilt, stand die unbeholfene Menge in dem Ratsgebäude und begann schließlich,
aufeinander los zu gehen, bis Ryan mit einem geräuschvollen „Ruhe!“, welches
von den Wänden als Echo mehrmals wiedergegeben wurde, es tatsächlich schaffte,
alle zum Schweigen zu bringen. „Die Diskussion ist hiermit vorerst beendet,
jene Frau ist als schuldig befunden, die Morde der letzten Tage mit Hilfe von
Hexerei begangen zu haben und wird deshalb bei Tagesanbruch zum Tode
verurteilt. Jeder, der sich dem Urteil widersetzt, soll ebenfalls den Tod
finden!“ Mit diesen harten Worten drehte sich Ryan um und verließ mit seinen
Anhängern durch den kleinen Seiteneingang, durch den er auch hinein gekommen
war, den Saal. „Nein, das könnt Ihr nicht machen! Ihr alle sollt brennen für diese
Schandtat!“, schrie Clarice, die von den beiden starken Wachen weggezehrt wurde
und wild ihren Körper bewegte, um sich zu befreien. „Brennen sollt ihr alle,
wenn ihr das zulasst!“, rief sie immer wieder mit schluchzender Stimme, aber
anscheinend waren trotz allem die Bürger noch immer zu verunsichert und hatten
Angst um ihr eigenes Leben, denn wie unter Hypnose starrten alle nur Clarice
tatenlos an und strömten dann aus dem Gebäude hinaus, um ihrem einfachen
Arbeiten nachzugehen, so als hätten sie die Worte der Verurteilten nicht
gehört. Als Thalon und Lewia die Leute hinauskommen sahen, fragten sie sofort
nach, zu welchem Ergebnis man gekommen sei. „Morgen früh wird sie
hingerichtet“, war die nüchterne Antwort von einer rothaarigen dicken Bäuerin,
die sich noch zuvor so stark behauptet hatte, anscheinend aber nicht den Mut
hatte, ihre Meinung wirklich durchzusetzen. „Verdammt! Wir müssen doch
irgendwas tun können, sonst begehen sie den Fehler und töten eine Unschuldige“,
entfuhr es Lewia. Matten Blickes schaute ihr die Rothaarige in die Augen und
sagte dann: „Es war ja gut gemeint von dir Kindchen und vielleicht magst du
Recht haben, aber niemand hier will selber sterben, also akzeptieren wir das
lieber, auch wenn es tragisch für diese Frau ist.“ Mit gesenktem Kopf schlurfte
die Frau in Richtung einer armseligen Hütte, während Lewia noch immer nicht
fassen konnte, dass niemanden hier interessierte, ob jemand hingerichtet wird,
oder nicht und dass alle so feige waren. „Wenn die Bürger schon nichts unternehmen,
dann müssen wir eben etwas dafür tun, dass Clarice nicht getötet wird!“, sagte
Lewia entschlossen an Thalon gewandt, der ebenfalls den Kopf schüttelte. Auch
er war nicht sehr angetan von dem Verhalten der Dorfbewohner. „Du hast ja Recht
und ich würde ihr auch am liebsten helfen, aber es gibt da noch ein paar
Sachen, die du wissen solltest. Komm mit, wir können das
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