Der Lichtritter: 1 (Oleipheas Schicksal) (German Edition)
verwandelt. Die Hand
des Mutanten packte den Soldaten auf der anderen Seite der Tür und warf ihn mit
einer abwertenden Bewegung gegen die Wand. Ein Knacksen von geborstenen Knochen
war zu hören, dann trat Ereon die Überreste der Tür auf. Danach herrschte
wieder Totenstille. Thalons Blick fiel auf den toten Schatten, den Ereon mit
seiner Gewalt kaltblütig getötet hatte. Eine aus dunklen Steinen gebaute
Wendeltreppe führte sie ein Stockwerk höher. Nachdem sie einen weiteren kurzen
Gang hinter sich gelassen hatten, standen sie in einer beeindruckenden Halle.
Unzählige Malereien, die Dämonen und Kämpfe engelsgleicher Wesen gegen selbige
darstellen, verzierten die Decke, die von vier gewaltigen Pfeilern getragen
wurde. Thalon vermutete, dass sich ein Stockwerk über ihnen die Eingangshalle
befinden musste. Sein Blick fiel nun jedoch auf eine Statue in der Mitte des
Raumes. In einem Kreis saß eine kleine Gruppe von kauernden Menschen um diese
Statue herum, die Thalon an irgendetwas erinnerte. Plötzlich fiel ihm wieder
ein, warum er sich so sicher war, das Wesen zu kennen, welches die Statue
darstelle. In einem seiner Träume war ihm dieses Ungeheuer bereits begegnet und
hatte ihn gewarnt, dass er ihrer wahren Begegnung nicht ausweichen könne. Ein
Schauer lief ihn über den Rücken, als er daran dachte, wie ihn dieser Dämon
zwar nur im Traum verletzt hatte, aber nach dem Aufwachen kurz noch die Narbe
der Verletzung zu erkennen gewesen war. Diese Tatsache verdrängend, starrte er
wie gebannt auf das Geschehen in der Halle, während er sich hinter einem der
Pfeiler versteckte. Zu seiner Verwunderung tat Ereon es ihm nach. Die Menschen
schienen in ein Gebet vertieft zu sein, denn ihr Gesicht war zum Boden gesenkt
und ihre Hände waren gefaltet. Urplötzlich stoppte das Murmeln und die Gruppe
verfiel in mystischen Gesang, wobei Thalon keines der Worte verstehen konnte.
Er stellte allerdings fest, dass die Stimmen zittrig und angsterfüllt klangen.
Was ging da nur vor? Erst jetzt bemerkte Thalon, dass die kleine Gruppe nicht
alleine in der Halle war. Ein muskulöser Schatten, dessen nackter Oberkörper
entblößt war, schlich um die Männer herum. In seinen Händen hielt er eine
schwere Axt, die er sich auf die Schulter gelegt hatte. Dann sah Thalon Jasai,
der, zusammen mit einigen Männern in den schwarzen Kutten, den Raum durch einen
anderen Eingang auf der gegenüberliegenden Seite betrat. Thalons Miene
verfinsterte sich. Er umfasste das Schwert so fest er nur konnte. Sein Körper
war zum Kampf bereit. Er redete sich ein, ruhig bleiben zu müssen und
beobachtete schließlich das weitere Geschehen. Der Schatten, der die Axt trug,
war vor einer Frau stehen geblieben, die das Gebet nicht mitsprach. Ihre Lippen
waren verschlossen. Er befahl ihr, aufzustehen. Auf zittrigen Beinen stehend,
blickte sie ausdruckslos zu dem Schatten. Jasai hatte sich neben ihn gestellt.
„Beuge dein Haupt, Weib und antworte mir! Wirst du dein Leben in den Dienst
unseres neuen Großkönigs stellen?“, fragte Jasai mit theatralischer Stimme, die
Arme ausgebreitet. Er wirkte wie ein Prediger in der Kirche, jedoch war Thalon
klar, dass der Alte keinen Segen aussprechen werden würde. Die Frau kniete nun
vor ihm und schwieg eine Zeit. Sie zitterte noch mehr als zuvor. „Lieber sterbe
ich, als einem Tyrannen zu dienen!“, rief sie entschlossen zurück, wobei ihr
eine Träne über das glatte Gesicht lief. Ihr Mund zitterte. Jasai zog die
Augenbrauen zusammen. Sein eben noch so freundlicher Blick war verschwunden und
er schaute nun mit finster funkelnden Augen tief in das Gesicht der Frau. Kaum
merklich nickte er. „Euer Wunsch ist mir Befehl!“, hauchte er kalt und gab dem
Schatten neben sich ein Zeichen. Thalon hielt den Atem an, als der Mann die
schwere Axt hob und zum Schlag ausholte. Sollte er eingreifen? „Was ist, wenn
sie mich erwischen? Dann töten die mich und die Frau! Ich kann ihr nicht
helfen“, schoss es ihm durch den Kopf. Er fühlte sich hilflos und schlecht,
aber es gab keine Möglichkeit, der Frau noch zu helfen. Die Hände der
Todgeweihten hielten ein goldenes Medaillon, welches an einer Kette um ihren
Hals hing. Ihr Kopf war gesenkt. „Oleiphea, ich flehe dich an. Nehme mich auf
und beschütze mich vor den Dämonen“, betete sie mit gebrochener Stimme. Das
letzte, was sie wahr nahm war der salzige Geschmack ihrer Tränen, die über ihre
weichen Lippen flossen. Schließlich fuhr der Stahl gnadenlos durch das
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