Der Lichtritter: 1 (Oleipheas Schicksal) (German Edition)
Fleisch.
Obwohl Thalon sich zuvor von der Schandtat abgewendet hatte, fuhr ihm das
Geräusch quer durch den ganzen Körper und seine Armhaare stellten sich auf. Der
leblose Körper der Frau umfasste noch immer das Medaillon. Tiefrotes Blut floss
gemächlich aus ihrem Hals. Der Schatten, der die Exekution ausgeführt hatte,
hob den Kopf der Toten auf und warf ihn den anderen Leuten vor die Füße, die wie
gebannt waren von dem Ereignis. Völlig eingeschüchtert verstärkten sich nun
die murmelnden Gebete und der Gesang der
übrigen Gefangenen. „Na bitte! Geht doch!“, rief Jasai freudig. Ein dumpfes
Knurren sowie heißer Atem drangen an Thalons Ohr und er stellte fest, dass es
Ereon war, der diese Laute ausstieß. Thalon spürte den heißen Atem des Mutanten
in seinem Nacken. Ereon schien wütend zu sein, denn nun ballte er die Hände zu
Fäusten. Zu Jasai hatten sich mittlerweile zwei weitere Personen gesellt. Die eine
Person war ein Schatten, dessen Rüstung mit goldenen Ornamenten versehen war.
Es musste sich hierbei um einen Schatten von höherem Rang handeln. Er trug
keinen Helm, sodass Thalon sein Gesicht deutlich erkennen konnte. Besonders
auffällig waren die krumme Nase und die zahlreichen Narben in seinem harten und
kantigen Gesicht. Die roten Augen waren auf die Menschengruppe zu Füßen der
Statue gerichtet. Die andere Person schien vom Körperbau her eine Frau zu sein.
Ihr Gesicht war verdeckt unter der dunklen Kapuze. Sie war also ein Mitglied
der Sekte. Ihr Blick streifte durch die Halle und als sich ihr Kopf in seine
Richtung drehte, zog Thalon rasch den Kopf zurück und presste sich so gut er
konnte an den kalten Stein der Säule. Scheinbar war er nicht schnell genug
gewesen, denn er hörte, wie die Frau etwas flüsterte und dann näherten sich
schnelle Schritte. Sein Herz begann zu rasen. „Sie kommen!“, wisperte Thalon zu
Ereon, in der Hoffnung, er würde ihn verstehen. Er fragte sich, wieso Emilias
Vater schon die ganze Zeit so ruhig war. Zwar wirkte er angespannt und wütend,
stand aber weiterhin in dem toten Winkel, den die riesige Säule bot und den
auch Thalon als Versteck nutzte.
Die Schritte hatten sich verlangsamt und Thalon
konnte nur hoffen, dass wer auch immer da war, sich schnell wieder entfernen
würde. Doch es kam anders: Mit einem überraschenden Sprung war die Frau hinter
der anderen Seite der Säule hervorgekommen und starrte Thalon lange regungslos
an. Ereon hatte sie zum Glück noch nicht bemerkt, da er tiefer im Schatten
versteckt war. Sie verschränkte die Arme und mit einer Handbewegung rief sie
Jasai, den Henker und den Schatten in der schwarzgoldenen Rüstung zu sich. Es
war aussichtslos. Er wollte nicht kampflos aufgeben, aber er wusste auch, dass
jegliche Chancen auf einen Sieg vernichtend klein waren. „Wen haben wir denn
hier?“, erkundigte sich Jasai mit seiner scharfen und ironisch wirkenden
Stimme. „Ich hätte nicht gedacht, dass wir uns noch einmal sehen, nachdem du
eigentlich tot sein müsstest. Dann stirbst du eben durch meine Hand!“, rief er
erzürnt und nahm den Stab, auf den er sich sonst abstützte, fest in beide
Hände. In diesem Augenblick sprang Ereon aus seiner Deckung hervor und stieß
einen tiefen Schrei aus. Knurrend stellte er sich hinter Thalon. Jasai wirkte
erstaunt. „Eigentlich sollte er dich töten, anstatt dich zu beschützen,
Lichtritter! Wie es scheint, hast du mehr Glück als Verstand. Mir soll es recht
sein! Dann wirst nicht nur du, sondern auch diese Missgeburt vom Antlitz der
Welt getilgt“, kläffte er, noch wütender als zuvor. Doch bevor Jasai etwas tun
konnte, hatte sich Ereon auf ihn gestürzt und zu Boden gerissen. Sofort griffen
die drei Anhänger Jasais zu ihren Waffen und versuchten, ihrem Anführer zu
helfen. Ereon war zwar stark, aber Thalon wurde klar, dass er es nicht mit
allen vier auf einmal aufnehmen konnte. Er blickte in Richtung des Einganges,
durch den Jasai die Halle betreten hatte. Knurrend hielt Ereon weiterhin die
Angreifer von Thalon fern und nun war dieser sich sicher, dass Ereon ihm Zeit
verschaffen wollte. Ihm ging es nicht gut dabei, Ereon alleine zu lassen, aber
es gäbe auch keine Möglichkeit, ihm zu helfen. Der Mutant drehte sich kurz zu
Thalon um und sein Ausdruck verriet ihm, dass er endlich fliehen sollte. Thalon
nickte. „Danke Ereon!“, sagte er leise und dieses Mal war er davon überzeugt,
dass Ereon ihn verstanden hatte. Er lief los in Richtung des Ausganges, während
Ereon
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