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Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht

Titel: Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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Saltram House, Schränke, Türen, Treppen, sogar größtenteils die Trennwände waren verschwunden. Kaum etwas von Menschenhand Gefertigtes war geblieben. Sicher, die hohen und etwas bedrohlichen Mauern des Hauses erhoben sich über ihm, aber selbst diese, einst gestrichen und mit Fresken verziert, waren jetzt über und über mit Efeu bewachsen und boten einem jungen Wald von reichem Wuchs Windschutz. Holunder und Eichen, Birken und Buchenschößlinge hatten sich ihren Weg aus der fruchtbaren Aschenerde emporgekämpft, und einige machten den Mauern in der Höhe Konkurrenz. Burden schaute auf ein Gebüsch hinunter, das durch die Brise vom Fenster her sacht bewegt wurde. Er konnte die Wurzeln des Baumes erkennen und sehen, daß nichts dort zwischen ihnen lag.
    Einen Moment stand er versonnen, dann wandte er sich ab. Zurück, die Treppen hinunter in den ‘Italienischen Garten’, wobei ihm plötzlich schlagartig einfiel, wie sie an eben diesem Platz einmal gepicknickt hatten, und Pat, damals ein kleines Mädchen von höchstens sechs Jahren, ihn gefragt hatte, warum er die Brunnen nicht in Gang setzen könne. Weil sie kaputt seien, weil kein Wasser da sei, hatte er gesagt. Er hatte nie mehr daran gedacht, sich keine Gedanken darüber gemacht - bis eben.
    Aber diese Brunnen hatten einmal geplätschert. Wo war das Wasser hergekommen? Ganz sicher nicht direkt von der Hauptleitung, auch wenn Saltram House angeschlossen sein sollte. Für Dinge wie Brunnen und andere Wasserspielereien hatte man immer Tanks. Und ob das Haus nun zur Zeit des Brandes an die allgemeine Wasserversorgung angeschlossen war oder nicht, so doch sicher nicht zur Zeit, als die Brunnen gebaut worden waren, siebzehnhundertirgendwas.
    Also mußte das Wasser irgendwo gespeichert worden sein. Ein winziger Schauder durchrieselte Burden. Eine idiotische Idee, sagte er sich. Verstiegen. Die Suchtrupps hatten das Gelände zweimal abgegrast. Ganz sicher war einem von ihnen dieser Gedanke auch gekommen? Aber nicht, wenn sie das Anwesen nicht so gut kannten wie ich, dachte er, nicht, wenn sie nicht wußten, daß diese Statue früher ein Brunnen war.
    Er wußte genau, er würde keine Ruhe finden, keinen Augenblick Frieden haben, wenn er jetzt ging. Er ließ sich von der letzten Stufe herunter und stand bis zu den Knien in Unkraut und Brombeerranken. Die Zisternen, wenn es welche gab, waren wahrscheinlich oben beim Haus, aber so nah wie möglich bei den Brunnensockeln.
    Zuerst einmal waren diese Sockel schwer auszumachen. Burden schnitt sich mit seinem Taschenmesser einen Holunderast und streifte die kleinen Zweige ab. Dann fing er an, damit die abgestorbenen und welken Pflanzenteile beiseite zu schieben. An manchen Stellen schien das Gewirr undurchdringlich, und er hatte fast entschieden, daß dies ein unmögliches Unterfangen war, als sein Stock auf etwas Metallenes stieß und ein dumpfes Klingen verursachte. Mit bloßen Händen machte er sich nun daran, das Efeugeranke und darunter andere zähe, heidekrautähnliche Pflanzen wegzureißen, bis er auf eine schwere bronzene Platte mit einem Loch in der Mitte stieß. Er schloß die Augen, dachte zurück, und ihm fiel ein, daß hier der Knabe gestanden hatte, das Mädchen an der gleichen Stelle auf der anderen Seite der Auffahrt.
    Wo also konnte die Zisterne sein? Sicher nicht zwischen dem Sockel und der Auffahrt, sondern auf der anderen Seite. Wieder benutzte er seinen Stock. Es hatte zwei oder drei Wochen lang nicht geregnet, und der unkrautüberwucherte Boden war hart wie Stein. Nutzlos, mit dem Stock zu tasten, höchstens mit den Füßen. Also schlurfte er langsam den Pfad entlang, den sein Stock schaffte.
    Er schaute die ganze Zeit über nach unten, trotzdem stolperte er, als sein linker Zeh an eine steinerne Umrandung oder Stufe stieß. Mit dem Stock herumstochernd, fand er die Kante und konnte eine rechteckige Umrandung verfolgen. Er hockte sich hin und arbeitete mit den Händen, bis er das ganze Dickicht beseitigt und eine Steinplatte, etwa in Form eines Grabsteins, zum Vorschein kam. Genau wie er vermutet hatte, die Zisterne für die Brunnen. Ob er wohl die Platte hochheben konnte? Er versuchte es, und sie gab so leicht nach, daß ihm keine Zeit mehr blieb, sich gegen den Schock zu wappnen, was er womöglich drinnen finden würde.
    Die Zisterne war so gut wie leer. Trocken, dachte er, seit einem halben Jahrhundert. Nicht mal eine Spinne oder eine Assel hatte das steinerne Gefüge durchbrochen.
    Aber da war ja

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