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Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht

Titel: Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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ganzen Kraft, preßte sie in seinen Armen und drängte sie gegen die Wand, während seine Zunge in ihren Mund fuhr.
    Als er sie losließ und zitternd zurücktrat, stand sie mit gesenktem Kopf still da und sagte nichts. Er machte die Tür auf und rannte, ohne sich noch einmal umzusehen.

7
    Sonntag, der Morgen, an dem er ausschlafen sollte. Er hatte eine entsetzliche Nacht hinter sich, erfüllt von so widerwärtigen Träumen, daß er sie - hätte er in einem der psychologischen Werke darüber gelesen, die Sorte, von denen Grace ständig faselte - ohne weiteres als Produkt eines kranken, pervertierten Gehirns anerkannt hätte. Schon der Gedanke daran ließ ihn vor Scham schaudern.
    Wenn man in der Morgendämmerung schlaflos im Bett liegt, muß man denken. Aber woran? An Jean, die für immer fort war? An die Träume, die Fragen aufwarfen, ob man in seinem Inneren genauso schlecht war wie jene örtlichen Abartigen? Gemma Lawrence? Was war er doch für ein Idiot gewesen, sie zu küssen, überhaupt da im Dunkel mit ihr sitzen zu bleiben, sich hineinverwickeln zu lassen!
    Rasch stand er auf. Es war erst halb acht, als er in die Küche kam, und niemand sonst war auf den Beinen. Er brühte eine Kanne Tee und brachte jedem eine Tasse ans Bett. Wieder ein schöner, klarer Tag.
    Grace setzte sich im Bett auf und nahm ihm die Teetasse ab. Ihr Nachthemd sah genau aus wie das von Jean. Ihr Morgengesicht war ein bißchen verquollen vom Schlaf, verträumt und vage, genau wie es Jeans immer gewesen war. Er haßte sie.
    »Ich muß weg«, sagte er. »Arbeit.«
    »Ich habe das Telefon gar nicht gehört«, sagte Grace.
    »Du hast noch geschlafen.«
    Seine Kinder rührten sich nicht, als er die Teetassen neben ihre Betten stellte. Beide hatten einen festen Schlaf, und es war nur natürlich. Burden wußte all das, aber es kam ihm vor, als liebten sie ihn nicht mehr. Ihre Mutter war tot, doch sie hatten einen Mutterersatz, ein Mutterfaksimile. Ihnen war es ganz gleich, ob ihr Vater da war oder nicht.
    Er holte seinen Wagen heraus und fuhr los, doch er hatte keine klare Vorstellung, wohin er eigentlich wollte. Vielleicht in den Cheriton Forest, um irgendwo zu sitzen und zu grübeln und sich selbst zu quälen. Doch statt die Pomfret Road zu fahren, fand er sich plötzlich auf dem Weg nach Stowerton. Alles, was er an Selbstdisziplin übrig hatte, brauchte er, um nicht zur Fontaine Road zu fahren, aber er beherrschte sich und bog statt dessen in die Mill Lane ein.
    Hier war der rote Jaguar gesehen worden. Hinter diesen Bäumen war der junge Mann mit den zierlichen Händen blättersammelnd herumgeschlendert. Bestand eine Verbindung zwischen dem Auto und dem Jugendlichen? Und war es möglich in dieser zynischen und grausamen Welt, daß der Blättersammler Kaninchen hielt - vielleicht hatte er die Blätter für seine Kaninchen gesammelt - und ein Kind nur aus Freude an der Gesellschaft brauchte, aus Freude am Anblick eines kleinen, glücklichen Gesichts, wenn eine begeisterte kleine Hand über dickes, weiches Fell streichelte?
    An solch einem Morgen erschien selbst eine so unwahrscheinliche, märchenhafte Vorstellung denkbar. In der Ferne hörte er die Glocken von St. Jude in Forby zur Frühmesse läuten. Er wußte jetzt, wo er hinwollte. Er durchfuhr eine Biegung der Straße, und unvermittelt und prächtig kam Saltram House in Sicht.
    Wenn man es aus dieser Entfernung betrachtete, wie es stolz auf dem Hügel stand, wäre man wohl nie auf die Idee gekommen, daß die Fenster dort nicht verglast und die Räume nicht bewohnt waren, sondern daß dieses große Steingebäude nur eine leere Hülle war, das Skelett des früheren Hauses, wenn man so wollte. In der Morgensonne sah es grau-golden aus, ein palastähnlicher Bau aus dem späten achtzehnten Jahrhundert, und in seinen herrlichen Proportionen schien es das darunterliegende Tal gleichzeitig lächelnd und mißbilligend zu betrachten.
    Die Geschichte seiner Zerstörung vor nunmehr fünfzig Jahren kannte jeder in Kingsmarkham. Es war während des ersten Weltkrieges passiert. Der damalige Besitzer des Hauses, dessen Name inzwischen vergessen war, hatte ein Fest gegeben, und seine Gäste waren auf ein flaches Stück des Daches hinausgegangen, um einen Zeppelin vorbeiziehen zu sehen. Einer hatte einen Zigarrenstummel über den Rand des Daches geworfen, und der hatte die Büsche darunter in Brand gesetzt. Nichts war mehr hinter diesen exquisit proportionierten kahlen Fensteröffnungen, nichts außer

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