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Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht

Titel: Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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unverzeihlichste.
    Nicht im geringsten von seiner scharfen Reaktion Harry Wild gegenüber beschämt, ging Wexford zum Leichenschauhaus, wo Dr. Crocker und Burden rechts und links des zugedeckten Leichnams standen.
    »Ich habe Loring geschickt, Ivor Swan zu holen, Sir«, sagte Burden. »Besser er macht es, als die Mutter.«
    Wexford nickte. »Wie ist sie gestorben?«
    »Die Leiche hat da seit Gott weiß wie vielen Monaten gelegen«, sagte Crocker. »Die Experten müssen sich das genauer ansehen. Ich würde sagen: Asphyxie. Gewalttätiger Druck auf die Luftröhre. Es sind keine Wunden oder so etwas feststellbar, und sie wurde auch nicht erwürgt. Kein sexueller Mißbrauch.«
    »Wir wußten ja«, sagte Wexford leise, »daß sie aller Wahrscheinlichkeit nach tot ist. Da dürfte es doch nicht mehr so schrecklich sein. Dürfte kein so großer Schock mehr sein. Ich hoffe nur, sie hatte nicht allzugroße Angst, das ist alles.« Er wandte sich ab. »Ich hoffe, es ist schnell gegangen«, sagte er.
    »So was«, meinte Crocker, »würde man von den Eltern erwarten, nicht von einem abgebrühten alten Kerl wie dir, Reg.«
    »Ach, halt den Mund. Vielleicht kommt es, weil ich weiß, daß diese Eltern es nicht sagen werden. Sieh dich mal an, du verdammter, halbgarer Quacksalber, es macht dir nicht mal was aus.«
    »Also, jetzt hör aber mal...«
    “Da ist Mr. Swan«, unterbrach Burden.
    Er kam mit Loring zusammen herein. Dr. Crocker hob das Laken hoch.
    Swan schaute hin und wurde bleich. »Das ist Stella«, sagte er. »Das Haar, die Kleider... Mein Gott, wie entsetzlich!«
    »Sind Sie sicher?«
    »Oh, ja. Kann ich mich hinsetzen? Ich habe noch nie einen toten Menschen gesehen.«
    Wexford ging mit ihm in einen der Interviewräume im Erdgeschoß.
    Swan bat um ein Glas Wasser und schwieg, bis er es ausgetrunken hatte.
    »Welch grauenvoller Anblick! Ich bin froh, daß Roz das nicht gesehen hat. Ich dachte, ich werde ohnmächtig da drin.« Er wischte sich mit dem Taschentuch übers Gesicht und starrte blicklos vor sich hin, als sähe er immer noch die Leiche des Kindes vor sich.
    Wexford hatte den Eindruck, sein Grausen wurde nur durch das hervorgerufen, was die acht Monate in der Zisterne aus Stella Rivers gemacht hatten, und nicht durch persönliche Trauer, ein Eindruck, der nicht wesentlich abgeschwächt wurde, als Swan sagte: »Ich mochte sie, wissen Sie. Ich meine, sie war nicht wie mein eigenes Kind, aber ich habe ziemlich an ihr gehangen.«
    »Das hatten wir ja alles schon, Mr. Swan. Wie gut kennen Sie das Gelände um Saltram House?«
    »Dort ist sie also gefunden worden, ja? Ich weiß nicht mal, wo das ist.«
    »Und doch müssen Sie jedesmal vorbeigekommen sein, wenn Sie Stella nach ‘Equita’ gefahren haben.«
    »Meinen Sie diese Ruine, die man von der Straße aus sieht?«
    Wexford nickte, wobei er den anderen genau beobachtete. Swan schaute die Wände an, den Boden, alles, nur nicht den Inspector. Dann sagte er im gleichen Tonfall, in dem man sich äußern würde, wenn einem das Auto immer wieder Ärger macht: »Ich weiß nicht, warum so was ausgerechnet mir passieren muß.«
    »Was meinen Sie mit: ‘so was’?«
    »Ach, nichts. Kann ich jetzt gehen?«
    »Niemand hält Sie, Mr. Swan«, sagte Wexford.
     
    Eine halbe Stunde später saßen er und Burden auf der brökkeligen Mauer und sahen einem halben Dutzend Männern bei ihrer Arbeit in der Zisterne zu, beim Fotografieren, Abmessen und Prüfen. Die Sonne schien noch immer warm, und ihr Strahlen gab dem Ort einen Anstrich von klassischem Altertum. Zerbrochene Säulen waren hier und da im hohen Gras zu sehen, und die Suche hatte Tonscherben zutage gefördert.
    Es sah eher nach einer archäologischen Ausgrabung aus als nach der Jagd auf Hinweise in einem Mordfall. Es war nicht gelungen, Spuren der Knabenstatue zu finden, doch die des Mädchens lag, wie Burden sie hatte liegenlassen, lag da wie ein totes Ding, das Gesicht in Efeu vergraben, das metallene Haar goldfarben in der Sonne wie das Haar von Stella Rivers im Leben.
    »Sie werden mich für einen wirklichkeitsfremden alten Trottel halten«, sagte Wexford nachdenklich, »aber ich kann nicht anders, als die Analogie zu sehen. Es ist wie ein Omen.« Er wies auf die Statue und schaute Burden dabei fragend an. »Das Mädchen ist tot, der Knabe ist verschwunden, jemand hat ihn mitgenommen.« Er zuckte die Achseln. »Im Leben«, sagte er. »Und in Bronze. Und der Dieb hat den Knaben womöglich irgendwo in einer angenehmen

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