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Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht

Titel: Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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Schatz, seinen Augapfel.
    »Ich habe das alles nie so schwer genommen wie er. Frauen sind stärker, sage ich immer. Sie können Dinge akzeptieren. Aber damals war ich in einem schrecklichen Zustand. Sie war mein einziges Mädchen, wissen Sie, und ich hatte sie erst spät in meinem Leben bekommen. Eigentlich wollten wir kein Kind mehr, aber Mr. Scott war ganz wild auf ein Mädchen.« Sie sah aus, als versuche sie, sich zu erinnern, nicht an die Tatsachen, sondern an die Gefühle von damals - versuchte es, und es gelang ihr nicht. »Es war ein Fehler, überhaupt in dieses Hotel zu gehen«, fuhr sie fort. »Pensionen waren eher unsere Linie. Aber Mr. Scott verdiente so gut, und warum sollte ich etwas dagegen sagen, wenn er meinte, wir seien schließlich auch nicht schlechter als andere, warum also kein Hotel, wenn wir es uns leisten könnten? Mir war ziemlich unwohl, als ich sah, mit was für Leuten wir dort zusammen waren, das kann ich Ihnen sagen. Oxford-Studenten und ein Anwalt und ein Adliger. Natürlich hat Bridget es nicht anders gewußt, für sie waren es einfach Leute, und Swan hat ihr eben gefallen. Wie oft habe ich mir schon gewünscht, sie hätte ihn nie zu Gesicht bekommen.
    Einmal waren wir in der Halle, und sie wuselte um ihn herum - ich konnte sie einfach nicht davon abhalten; ich habe es versucht, das können Sie mir glauben -, da hat er ihr einen Stoß versetzt, nichts gesagt, wissen Sie, nicht mit ihr geredet oder so, einfach so einen Stoß, daß sie hingefallen ist und sich am Arm verletzt hat. Mr. Scott ist sofort hingegangen und hat ihn zur Rede gestellt, sagte ihm, er sei ein Snob, und Bridget sei genauso gut wie er. Seine Antwort werde ich nie vergessen. Es ist mir gleichgültig, wessen Tochter sie ist‘, sagte er.’Es kümmert mich nicht, ob ihr Vater Herzog oder Müllmann ist. Ich will sie nicht hierhaben. Sie ist mir im Weg.’ Aber das konnte Bridget nicht bremsen. Sie ließ ihn einfach nicht in Ruhe. Seitdem ist mir oft durch den Kopf gegangen, daß Bridget zu dem Boot rausgeschwommen ist, damit sie mit ihm allein sein konnte und niemand sonst dabei war.«
    Mrs. Scott nahm das Tablett, machte aber keine Anstalten, ins Wohnzimmer zurückzugehen. Sie schien zu lauschen, und dann sagte sie:
    »Sie konnte nicht so gut schwimmen. Wir hatten ihr soundso oft gesagt, sie solle nicht so weit rausschwimmen. Swan wußte das, er hatte es mit angehört. Er hat sie ertrinken lassen, weil es ihm einfach egal war, und wenn das Mord ist, dann hat er sie ermordet. Sie war nur ein Kind. Natürlich hat er sie ermordet.«
    »Das ist eine schwere Anschuldigung, Mrs. Scott.«
    »Es ist nicht mehr, als der Untersuchungsrichter auch gesagt hat. Als ich in der Zeitung über seine eigene kleine Tochter las, hatte ich kein Mitleid mit ihm, ich habe nicht gedacht, daß er bekommen hat, was er verdiente, ich habe gedacht, er hat das gleiche mit ihr gemacht.«
    »Die Umstände waren ganz anders«, meinte Wexford. »Stella Rivers ist erstickt worden.«
    »Ich weiß, ich habe es gelesen. Ich sage nicht, daß er es mit Absicht getan hat, genausowenig wie ich sagen würde, er hat Bridget direkt unter Wasser gestoßen. Meiner Ansicht nach ist sie ihm im Weg gewesen - kann man sich ja auch vorstellen, eine Stieftochter, und er frisch verheiratet -, und vielleicht hat sie etwas gesagt, was ihm nicht gepaßt hat, oder sie mochte ihn zu sehr, wie Bridget, und da hat er sie eben geschnappt und ihr die Kehle zugedrückt oder irgendwas, und - und sie ist gestorben. Wir gehen jetzt besser zu Mr. Scott zurück.«
    Er saß genauso, wie sie ihn zurückgelassen hatten, die beinah blicklosen Augen noch immer starr geradeaus gerichtet. Seine Frau gab ihm eine Teetasse in die Hand und rührte für ihn um.
    »Da hast du deinen Tee, mein Lieber. Tut mir leid, daß es so lange gedauert hat. Möchtest du ein Stück Kuchen, wenn ich es kleinschneide?«
    Mr. Scott antwortete nicht. Er konzentrierte sich auf Wexford, und dem Chief Inspector wurde klar, daß der alte Mann über seinen Besuch nicht näher aufgeklärt worden war. Sicher, im Gespräch war Kingsmarkham erwähnt worden und die Nichte, doch Wexford war weder mit Namen noch Beruf vorgestellt worden.
    Vielleicht war es der Augenausdruck seiner Frau, oder er hatte etwas von dem Gespräch in der Küche mitbekommen, jedenfalls fragte er unvermittelt und in seinem harschen, monotonen Tonfall: »Sind Sie von der Polizei?«
    Wexford zögerte. Scott war ein sehr hinfälliger Mann. Möglicherweise

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