Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht
unter der man ihn erreichen kann.«
»Cheriton Forest hat kein Telefon«, erwiderte Grace.
Am Samstag nachmittag kamen zwei Männer aufs Kingsmarkhamer Polizeirevier, die erklärten, sie hätten den Courier gelesen und sie seien wahrscheinlich zwei der drei Gesuchten. Es waren Brüder, Thomas und William Thetford, die in benachbarten Häusern in Bury Lane wohnten, einer Straße, halb Slum, halb Landstraße am anderen Ende von Stowerton, nicht weit von Sparta Grove. Vom Verschwinden des kleinen John Lawrence hatten sie durch Williams Frau erfahren, die bei Mrs. Dean putzte und gegen halb sechs nach Hause gekommen war. Die Thetford-Brüder arbeiteten beide Schicht und waren an jenem Tag schon fertig. Sie hatten sich gedacht, daß eine Suchmannschaft zusammengestellt würde - hatten wohl auf ein bißchen Aufregung gehofft, dachte Wexford bei sich, um etwas Abwechslung in ihren Tag zu bringen -, waren in Williams Wagen gestiegen und zur Foutaine Road gefahren.
Keiner der beiden Männer hatte eine schrille Stimme oder auch nur eine, die Wexford bekannt vorkam. Sie sagten, sie hätten die Information nicht weitergegeben und nur untereinander darüber gesprochen. Die Routine erforderte wohl ein Gespräch mit Mrs. Thetford, überlegte Wexford. Aber Montag war früh genug dafür.
»Golf morgen vormittag? fragte Dr. Crocker, der, unmittelbar nachdem die Thetfords weg waren, hereinschneite.
»Kann nicht. Ich fahre nach Colchester.«
»Wozu denn das, um Himmels willen?« fragte Crocker ärgerlich, und dann, ohne auf eine Antwort zu warten: »Ich wollte mal mit dir über Mike reden.«
»Ich fände es wirklich besser, das würdest du nicht tun. Warum redest du nicht selbst mit ihm? Du bist sein Arzt.«
“Ich glaube, er hat einen besseren Arzt gefunden, als ich es bin«, sagte Crocker hinterhältig. »Ich habe sein Auto letzte Nacht wieder gesehen.«
»Sag nichts weiter. Es war in Cheriton Forest geparkt, und er hat brütend dringesessen.«
»War es nicht, und hat er nicht. Es war um Mitternacht am Ende der Chiltern Avenue geparkt.«
»Du bist allgegenwärtig, was? grummelte Wexford. »Du bist wie der Heilige Geist.«
»Es stand am Ende von Chiltern Avenue gleich bei Fontaine Road um Mitternacht. Komm schon, Reg, du bist doch sonst nicht so schwer von Begriff...«
»Das ist unmöglich«, sagte Wexford in scharfem Ton. Seine Stimme schwankte. “Ich meine... Mike würde niemals... Ich möchte nicht darüber reden.« Und er bedachte den Doktor mit einem wilden Blick. »Wenn ich nichts davon weiß«, brummte er ganz ohne seine sonstige Logik, »dann ist auch nichts.«
“Ich weiß, es wäre ein Wunder«, sagte Gemma, »aber wenn - wenn John je gefunden wird und zu mir zurückkommt, dann verkaufe ich dieses Haus, auch wenn ich nur den Grundstückswert dafür kriege, und gehe nach London zurück. Ich könnte in einem Zimmer wohnen, es würde mir nichts ausmachen. Ich hasse das hier. Ich hasse es, hier zu sein, und ich hasse es, rauszugehen und zu sehen, wie sie mich alle anstarren.«
»Du redest wie ein Kind«, sagte Burden. »Weshalb über Dinge reden, die, wie du ganz genau weißt, nicht passieren werden? Ich habe dich gebeten, mich zu heiraten.«
Sie stand auf, ohne zu antworten, und begann sich anzuziehen, aber nicht die Sachen, die sie ausgezogen hatte, als Burden und sie ins Schlafzimmer gekommen waren. Er beobachtete sie mit hungrigen Blicken, doch gleichzeitig verwirrt, wie bei fast all ihren Verhaltensweisen. Sie hatte sich ein schwarzes, langes Kleid über den Kopf gestreift, ganz glatt und eng. Burden wußte nicht, ob es alt war, ein Kleidungsstück ihrer Tante vielleicht, oder die neueste Mode. Man konnte das heutzutage kaum unterscheiden. Um Schultern und Taille drapierte sie einen langen Schal in Orange, Blau und Grün, mit Stickerei überladen und so steif, daß er unter ihren Händen knisterte.
»Wir haben uns oft verkleidet, John und ich«, sagte sie. »Wir haben uns verkleidet und Figuren aus dem Märchenbuch gespielt. Er wäre ein großer Schauspieler geworden.« Nun behängte sie sich über und über mit Schmuck, wand sich lange Perlenschnüre um Hals und Arme. »Das gibt es manchmal, wenn beide Eltern, oder auch nur ein Elternteil, zweitklassige Künstler waren. Mozarts Vater war ein unbedeutender Musiker.« Sie wiegte sich in dem sanften roten Licht und streckte die Arme aus. Ringe an jedem Finger zogen ihre dünnen Hände nach unten. Sie löste ihr Haar und schüttelte es aus; es sprühte eine
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