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Der Liebe eine Stimme geben

Der Liebe eine Stimme geben

Titel: Der Liebe eine Stimme geben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Genova
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Schachtel, faltet das Seidenpapier darüber, schließt den Deckel und stellt die Schachtel auf den Couchtisch. Sie sieht zu Jimmy hoch. Alle Farbe und Ausdruckskraft ist aus seinem Gesicht gewichen. Sie nimmt an, dass sie selbst genauso aussieht.
    »Bitte«, sagt er.
    »Es tut mir leid.«
    »Was ist mit den Mädchen? Haben sie es nicht verdient, dass ihre Eltern zusammen sind?«
    »Hast du denn daran gedacht, was sie verdient haben, als du mit dieser Frau geschlafen hast?«
    »Nein.« Er schaut auf seine Socken. »Ich habe an gar nichts gedacht, an das ich hätte denken sollen. Aber ich wünschte, ich hätte es getan. Komm schon, Beth. Wir müssen es zumindest versuchen.«
    »Ich habe es die ganze Zeit versucht, aber ich vertraue dir nicht mehr, und bevor ich dir nicht vertraue, kann nichts von diesen anderen Dingen passieren.« Sie wedelt mit Jimmys Hausaufgabenblatt durch die Luft.
    »Sieh mal, ich sehe es genau umgekehrt. Ich denke, wenn du all diese anderen Dinge hast, dann wird auch das Vertrauen wiederkommen. Ich kann dir geben, was du brauchst, Beth. Ich liebe dich. Lass es mich wieder verdienen. Du kannst mir vertrauen.«
    Sie erinnert sich, wie sie mit Jimmy einmal zu einem Empfang in einer der Kunstgalerien in der Innenstadt gegangen ist, in der ersten Zeit, als sie miteinander gingen. Sie waren für den Wein gekommen, und um ein paar der Ölgemälde von Courtneys Ehemann zu sehen. Beth verliebte sich in eine seiner eher abstrakten Darstellungen einer Frau, die an der Küste stand. Die unerwarteten Farben und seltsamen Linien fesselten ihr Interesse und ihre Ehrfurcht. Sie erinnert sich an den Blick verwirrter Abscheu auf Jimmys Gesicht, während er dieselbe Leinwand betrachtete. Sie wollte es kaufen, und Jimmy sagte: Sieht aus wie etwas, das ein Kind im Kindergarten gemalt hat. Sie erinnert sich, wie enttäuscht sie davon war, dass sie beide genau dasselbe betrachten und etwas so völlig Gegensätzliches empfinden konnten. Und jetzt ist es wieder genau wie damals.
    »Es tut mir leid, Jimmy.«
    »Ich kann nicht glauben, dass du es nicht einmal versuchen willst.«
    »Das habe ich.«
    »Wie denn?«
    Sie sagt nichts.
    »Ich finde, wir sollten wieder zu Dr. Campbell gehen.«
    »Ich bin fertig, Jimmy.«
    Er liest kopfschüttelnd noch einmal ihr Blatt Papier.
    »Du liebst mich noch immer, Beth. Das weiß ich.«
    »Diese Sache hat verändert, wer du für mich bist.«
    Sie sieht, wie ihre Worte ihn durchbohren, wie sich sein Gesicht schmerzhaft verzieht, und sie erträgt es nicht, der Grund dafür zu sein. Sie wendet den Blick ab, schaut hinüber zum Kaminsims, zu dem Stück Treibholz, von dem er wusste, dass es einmal ihres sein würde. Der Seestern und die Nautilusmuschel sind noch immer da, aber die alten Bilder sind verschwunden, ersetzt von einem einzelnen gerahmten Foto von Beth und den Mädchen in verschiedenfarbigen Tanktops, die Arme umeinandergelegt, lachend.
    »Ich liebe dich noch immer, aber das ist nicht genug.«
    »Doch. Das muss genug sein. Ich liebe dich. Wenn du mich noch immer liebst, ist das alles, was wir brauchen. Bitte, Beth. Bitte verzeih mir. Ich weiß, dass wir das schaffen können.«
    Sie sieht auf ihre Hände im Schoß, auf den Diamantring und den Ehering, die sie noch immer trägt.
    Ich verspreche, dir treu zu sein .
    Ein Glaube, der in Teile zertrümmert wurde, die zu gezackt und scharf sind, sodass sie jetzt etwas in der Hand hält, was sich eher nach einer Waffe als nach einem Versprechen anfühlt. Sie sieht zu Jimmy hoch, auf die verletzliche Verzweiflung und Liebe in seinen Augen, und unerwarteterweise, instinktiv vielleicht, gibt sie ihre Deckung auf, und sie erwidert seine Emotionen mit ihren eigenen, mit der Liebe und Verzweiflung, die sie ebenfalls noch immer für ihn empfindet. Ein Gefühl von Unsicherheit nagt in ihrer Kehle. Sie hüstelt und nimmt einen Schluck Kakao.
    »Es tut mir leid. Ich kann nicht.«
    Sie sieht, wie seine Augen sich verändern, sich in eine vertraute Festung zurückziehen.
    »Das heißt, es ist aus?«
    Das brutale Ausmaß dessen, was gleich passieren wird, trifft sie mit voller Wucht. Das hier fühlt sich völlig anders an als im letzten März, als sie das mit Angela herausfand und ihn bat zu gehen, als sie nicht wirklich wollte, dass er ging, verloren in fassungslosem Unglauben, als er es wirklich tat. Heute ist es anders. Das hier ist ihr Ende. Sie verliert Jimmy, und eine tiefe, schmerzliche Traurigkeit erfüllt ihr Herz, aber so, wie wenn man nach

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