Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Liebe eine Stimme geben

Der Liebe eine Stimme geben

Titel: Der Liebe eine Stimme geben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Genova
Vom Netzwerk:
hier landen. Zusammen. Eines Tages.«
    »Ich auch.«
    »Wir hatten alle möglichen tollen Träume, bevor …«
    Bevor . Das Wort schwebt allein in der Luft, verweigert weitere Gesellschaft.
    Er beugt sich über den Tisch und nimmt einen der oberen Steine aus der Schale in die Hand. Er hält ihn in seiner Faust und schließt die Augen, als würde er sich etwas wünschen. Dann öffnet er die Augen und seine Hand und legt den Stein zurück in die Schale.
    »Es wird spät«, sagt er mit einem Blick auf seine Armbanduhr. »Ich muss los, wenn ich die letzte Fähre erreichen will.«
    »Du kannst bleiben, wenn du willst.«
    Er legt den Kopf schräg und studiert sie, versteht die Einladung nicht ganz.
    »Das Bett im Gästezimmer ist schon gemacht. Das ist kein Problem.«
    Er blickt erleichtert. Und enttäuscht. »Bist du sicher?«
    »Ja, wir können morgen ins The Bean fahren, bevor du abreist, wie in alten Zeiten.«
    Er lächelt. »Das wäre schön. Und noch etwas Wein, wenn du noch welchen hast.«
    Es ist spät. Olivia liegt jetzt schon seit ein paar Stunden im Bett, und sie ist noch immer wach. Sie hört, wie die Tür des Gästezimmers geöffnet wird und David ins Wohnzimmer schlurft. Dann hört sie, wie die Hintertür knarrend aufgeht. Sie hört, wie die Fliegentür zufällt. Sie wartet und horcht. Sie wartet und hört nichts. Sie steht auf und durchquert das Wohnzimmer, öffnet die Fliegentür und tritt ins Freie. Auf einer Decke im Gras liegt David auf dem Rücken und starrt in den Himmel.
    »David?«
    »Hey.«
    »Was tust du denn da?«
    »Ich konnte nicht schlafen.«
    Sie geht zu ihm und legt sich neben ihn auf die Decke. Es ist eine kleine Decke, und sie kann kaum neben ihm liegen, ohne ihn zu berühren. Sie legt die Ellenbogen an.
    »Die Sterne hier sind atemberaubend«, sagt er.
    »Ja. Ich liebe den Himmel hier.«
    »Ich habe sie noch nie so gesehen. Und dieser Mond. Das ist unglaublich.«
    Der Mond ist fast voll, gelblich weiß strahlend und schimmernd. Das Gesicht des Mannes im Mond auf seiner Oberfläche ist deutlich zu erkennen, der Himmel unmittelbar ringsum tageslichtblau erhellt. Der Rest des Himmels ist pechschwarz, übersät mit funkelnden weißen Sternen. Sie findet zuerst den Großen Wagen, dann den Kleinen Wagen und die Venus. Das ist alles, was sie kennt. Sie sollte wirklich mehr über Sternbilder lernen.
    Lange starren sie beide zum Himmel hoch. Ihre Augen gewöhnen sich an das Dunkel, und immer mehr Sterne erscheinen. Und dann, es ist unglaublich, noch mehr. Sterne hinter Sternen, dunstige Lichtschleier, schichtenweise Galaxien von Energie, die existiert, brennt, leuchtet, unergründliche Weiten von ihnen entfernt. Sie stellt sich David und sich selbst vor, von oben gesehen – zwei winzige, atmende Körper auf einer Decke im Gras liegend, auf einer winzigen Insel, dreißig Meilen weit im Meer. Zwei winzige Körper, die einmal von einem gemeinsamen Leben träumten, die einen schönen Jungen zusammen hatten und die jetzt nebeneinander auf einer Decke im Gras liegen und die Unendlichkeit betrachten.
    »Siehst du das?« Er zeigt in die Richtung, zeichnet mit dem Finger ein W an den Himmel. »Das ist die Kassiopeia.«
    »Erstaunlich.«
    Ein klarer Nachthimmel auf Nantucket erstaunt wirklich. Der Himmel bei Nacht in Hingham, falls er überhaupt bemerkenswert genug ist, um die Aufmerksamkeit nach oben zu lenken, verwundert niemanden. Auch in Chicago wird er niemanden erstaunen. Sie stellt sich vor, wie David dort lebt, umgeben von Wolkenkratzern und Großstadtlichtern, wie er in einer klaren Nacht am Rand des Michigan-Sees entlanggeht und zum Himmel hochsieht und nichts als Dunkelheit sieht, während Olivia all das hier sehen kann.
    Es ist eine kühle Nacht, dank eines steten Windes ohne Moskitos. Olivia fröstelt, sie braucht mehr als ihr ärmelloses Baumwollnachthemd. David rutscht näher zu ihr herüber, sodass sich ihre Schultern, Hüften und Beine berühren. Er verhakt seine ringlosen Finger in ihren; ihre Hand akzeptiert seine. Die Berührung seines Körpers, die Hitze seiner Hand, vertraut und tröstlich, wärmen sie.
    »Ich vermisse dich«, sagt er, während er noch immer zum Himmel hochstarrt.
    »Ich dich auch.«
    »Ich habe die Unterlagen unterzeichnet.«
    Wie ihr schon früher aufgefallen ist, braucht David länger, um etwas zu akzeptieren, aber letztendlich schafft er es. Und hier ist er also.
    Sie drückt seine Hand.
    »Ich musste dich sehen, um sicher zu sein, dass es dir gut geht, bevor ich

Weitere Kostenlose Bücher