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Der Liebe eine Stimme geben

Der Liebe eine Stimme geben

Titel: Der Liebe eine Stimme geben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Genova
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rausgeschmissen hat.«
    »Sie ist nicht meine Freundin, und sie hat mich nicht rausgeschmissen. Ich bin gegangen. Ich habe Schluss gemacht.«
    »Du musst gehen«, sagt Beth so entschieden, wie sie es kann, ohne laut zu werden. Sie will die Mädchen nicht wecken.
    »Wirst du die Karte aufmachen, bevor ich gehe?«
    »Nein.« Sie wendet sich ab, um aus der Küche zu gehen. Wenn er nicht geht, dann wird sie es tun. Es ist mitten in der Nacht. Sie wird wieder zu Bett gehen.
    »Beth.« Er greift nach ihrer freien Hand, hält sie auf. »Sieh mich an.«
    Sie tut es.
    »Ich vermisse dich.«
    »Gut.«
    »Wirklich.«
    »Du vermisst mich jetzt nur, weil du allein bist.«
    »Ich habe dich die ganze Zeit vermisst.«
    »Du musst jetzt gehen.«
    Er hält noch immer ihre Hand, zieht sie an sich und küsst sie.
    Er schmeckt nach Schweiß und Bier und Zigarren. Sie sollte angewidert und beleidigt sein. Sie sollte ihn mit einem Tritt in seinen erbärmlichen, betrunkenen Arsch aus dem Haus befördern. Sie sollte ihm mit ihrem Tennisschläger-Schwert auf den Kopf schlagen. Aber aus irgendeinem unlogischen Grund lässt sie ihre Waffe fallen und gibt sich seinem Kuss hin.
    Jetzt zieht er ihr das Nachthemd aus, und sie lässt es zu. Er küsst sie noch immer, kratzt ihr Gesicht mit seinem Bart, und sie erwidert seinen Kuss, und irgendwo in ihrem Kopf schreit ein empörter Teil von ihr: WAS TUST DU DENN DA?! Aber ein anderer Teil von ihr erwidert in aller Ruhe: Psst. Wir reden später darüber. Und jetzt sei still und zieh ihm die Hose aus.
    Im nächsten Augenblick liegen sie auf dem Küchenboden. Sie ist nackt, und ihm hängt die Hose bis unter die Knie herunter. Schuhe und Hemd hat er noch an. In den fünfzehn Jahren, die sie sich nun schon kennen, haben sie es noch nie auf dem Küchenboden getan. Um genau zu sein, ist Beth noch nie irgendwo im Haus nackt gewesen außer in ihrem Schlafzimmer und im Bad.
    Die ganze Nummer ist eindringlich und lustvoll und kommt sofort zur Sache, und obwohl der Hartholzboden schmerzhaft für die Knochen ihres Rückgrats ist und es nach etwa einer Minute vorbei ist, ist es erstaunlich gut. Absolut idiotisch und vermutlich bedauerlich, aber erstaunlich, unleugbar gut.
    Sie spitzt die Ohren. Hat sie eben eines der Mädchen oben gehört? O mein Gott, sie und Jimmy haben zu viel Krach gemacht, und jetzt ist eines der Mädchen vermutlich auf dem Weg nach unten, um zu sehen, was los ist. Beth stößt Jimmy von sich und schlüpft hastig in ihre Unterwäsche und ihr Nachthemd.
    »Schnell, ich glaube, die Mädchen haben uns gehört«, flüstert sie. »Zieh dir die Hose hoch.«
    Er lauscht, ohne sich zu bewegen. »Ich höre nichts.«
    Er hat recht. Alles ist still.
    »Du musst gehen.«
    »Okay, aber können wir reden?« Die Hose hängt ihm noch immer in den Kniekehlen.
    »Nicht jetzt. Ein andermal. Wenn es Tag ist und du nicht betrunken bist und du deine Hose anhast.«
    Er lächelt sie an, mit diesem verrückten Lächeln, bei dem sie noch immer weiche Knie bekommt. »Okay.«
    »Und jetzt geh schon.«
    »Okay, okay. Wo ist meine Kappe?«
    »Da.« Sie deutet auf den Tresen, wo sie sie hingeworfen hat.
    Er setzt sie sich auf, diesmal richtig herum und gerade. »Ich habe dich vermisst.«
    »Geh.«
    »Okay.« Er geht zur Haustür. »Wir sehen uns später, ja?«
    Sie nickt, und er geht. Sie hofft, dass er nüchtern genug ist, um dorthin zu fahren, wo er jetzt wohnt. Sie fragt sich, wo er jetzt wohnt. Sie fragt sich, worüber er reden will. Sie fragt sich, was in aller Welt hier eben passiert ist.
    Der Teil von ihr, der sich Petra und ihren anderen Freundinnen, sogar Georgia, stellen müssen wird, schämt sich für das, was eben passiert ist, und kommt sich idiotisch vor. Der Teil von ihr, der sich ständig bedroht gefühlt hat, als wäre er ungefragt in einen unfairen Konkurrenzkampf mit dieser Schlampe Angela gezwungen worden, fühlt sich siegreich angesichts dessen, was eben passiert ist. Aber der Rest von ihr weiß nicht, was zum Teufel sie von dem halten soll, was eben passiert ist.
    Sie tritt an den Küchentisch, nimmt die Karte in die Hand und öffnet sie.
    Beth, es tut mir leid. Ich liebe dich. Bitte nimm mich zurück.
    Dein Jimmy

FÜNFZEHN
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    Es ist halb elf Uhr vormittags, und Beth ist in der Bibliothek. Sie schreibt. Was sie schreibt, hat als Kurzgeschichte begonnen, inspiriert von einem Traum, aber es wächst schnell zu etwas anderem heran, etwas Substanziellerem, entweder einer Sammlung zusammenhängender

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