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Der Liebe eine Stimme geben

Der Liebe eine Stimme geben

Titel: Der Liebe eine Stimme geben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Genova
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superweiß und groß. Zwanzig sind wolkenweiß und klein, 50 sind wolkenweiß und mittelgroß, 8 sind wolkenweiß und groß. Fünf sind dünenweiß und klein, 30 sind dünenweiß und mittelgroß, und 4 sind dünenweiß und groß.
    Ich lege mich an der Ecke des Couchtischs mit dem Kopf auf den kalten Holzboden und betrachte meine Reihe aus Steinen. Sie ist so schön. Meine Finger füllen sich mit Glück.
    Manchmal sieht meine Mutter meine Steinreihen an und hat irgendetwas dazu zu sagen:
    Die hier sieht aus wie die Knochen eines Dinosaurierschwanzes.
    Die hier sieht aus wie meine Perlenkette.
    Die hier könnte eine Reihe von Wolken am Himmel sein.
    Ich weiß nicht, warum sie diese Dinge über meine Steinreihen sagt. Es sind Steinreihen. Manchmal ordne ich sie nach einer bestimmten Regel an. Manchmal mache ich eine Reihe, die ganz oval ist oder ganz taubenweiß (die Farbe, die um unsere Fenster und Türen gemalt ist) oder ganz mittelgroß. Aber es sind immer Steinreihen. Und sie sind immer wunderschön.
    Meine Mutter sagt auch, dass meine Steine sehr alt sind und von Vulkanen gekommen sind. Sie sagt, die Energie des Meerwassers hat sie so glatt gemacht. Aber ich glaube, sie denkt sich eine witzige Geschichte aus, denn Vulkane machen etwas, das Lava heißt, was eine orange, heiße Flüssigkeit ist, die sich in Stein verwandelt, der schwarz und nicht weiß ist. Und ich habe ein paar von den beuligen Steinen zum Waschbecken getragen und lange Zeit Wasser darüberlaufen lassen, und sie sind nicht glatter geworden. Daher glaube ich nicht, dass Vulkane oder Wasser diese Steine gemacht haben. Ich glaube, meine hauptsächlich weißen Steine wurden einfach so geboren.
    Ich rutsche von der Ecke des Couchtischs zur Mitte der Reihe. Ich lege mich wieder auf den Boden und verfolge mit den Augen meine Steinreihe. Sie ist perfekt. Ich lächele und lasse meinen Blick verschwommen werden, damit die Steine ewig weitergehen.
    Aber an den Rändern des Ewig passiert etwas. Eine andere Steinreihe entsteht. Ich reibe mir die Augen, da ich glaube, sie könnten mir einen Streich spielen, noch eine Steinreihe in meinem Kopf und nicht wirklich auf dem Wohnzimmerboden machen. Dann sehe ich eine Hand. Die Hand legt noch mehr Steine an. Ich kenne diese Hand. Das ist die Hand meiner Mutter!
    Die Hand meiner Mutter legt noch mehr Steine in einer geraden Reihe neben meiner Reihe an. Ihre Reihe enthält Steine, die elfenbeinweiß, kameeweiß und leinenweiß sind und die alle klein und hauptsächlich rund sind. Ihre Hand hört auf. Die Reihe hört auf zu wachsen. Die Hand meiner Mutter ist fertig. In dieser gelbweißen, kleinen, hauptsächlich runden Reihe sind 21 Steine.
    Während ich diese neue Steinreihe bewundere, sehe ich die Nase und den Mund und das Kinn meiner Mutter auf dem Boden hinter den Steinen. Ich sehe rasch hin und sehe die Augen meiner Mutter. Ich setze sie zusammen und sehe das Gesicht meiner Mutter. Das Gesicht meiner Mutter ist auf dem Boden, genau wie meines.
    Deine Steinreihe ist schön, Mom! Macht sie dich auch ruhig und glücklich? Liebst du es auch, Steine aufzureihen?
    Ich wünschte, meine Stimme wäre nicht kaputt, damit ich sie fragen könnte. Aber dann sehe ich ihren Mund genauer an, und ich sehe, dass das Gesicht meiner Mutter lächelt, und ich brauche keine Stimme, um ihre Antwort zu erfahren.

FÜNFUNDZWANZIG
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    Es ist Anfang Oktober, ein neues Blatt auf dem Kalender und der erste richtig kühle Herbsttag, aber es ist, als hätte sich der Wechsel der Jahreszeiten, der Übergang vom Sommerleben zu etwas deutlich anderem, schon vor einem Monat ereignet. Die Sommerfamilien mit Kindern im schulpflichtigen Alter haben die Insel bereits unmittelbar nach dem Labor Day in einem Massenexodus geräumt. An jenem Feiertag, einem Montag, herrschte auf der Insel noch das übliche hektische Treiben, aber spätestens am Dienstagnachmittag war sie leer und still geworden, und es schien, als könnte man die Insel selbst aufatmen hören. Jetzt kann Olivia sich wieder entspannen, an jedem Wochentag zum Stop & Shop fahren, links abbiegen, ohne mehrere Minuten zu warten, und allein an den Stränden spazieren gehen; aber genau wie der Ansturm der Sommerleute eine bewusste Anstrengung erfordert hatte, tat es seltsamerweise auch ihre plötzliche Abwesenheit.
    Einen ganzen Monat nach dem Labor Day steckt Olivia noch immer in einem Stimmungstief. Sie genießt die Einsamkeit, aber aus irgendeinem Grund fühlte sie sich auch verlassen, als alle

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