Der Liebe Gott Macht Blau
starten, wenn es Pirjeri recht wäre. In Japan war jetzt früher Morgen.
Die Reise war in Gedankenschnelle absolviert. Sie brachen auf und waren auch schon am Ziel. Dies war Pirjeri Ryynänens erster Besuch in Japan und gleichzeitig auch seine erste Fernreise. Mit Frau Solehmainen hatte er zweimal Pauschalreisen in Mittelmeerländer unternommen, nach Mallorca und nach Rhodos. Jetzt sah er zum ersten Mal den Stillen Ozean und Tokio, die mächtigste Stadt des Fernen Ostens.
Blaugrauer Smog bedeckte die stolze Stadt, die Sicht betrug keine zwei Kilometer. Die metallglänzenden Wolkenkratzer beherrschten die neblige Landschaft. Unaufhörlich rauschte der Verkehr auf den mehrspurigen Autobahnen, diese verliefen in drei, sogar vier Ebenen und waren miteinander verschlungen wie riesige Bandwürmer. Aus den Metrotunneln strömten zu Abertausenden dunkelhaarige kleine Japaner wie ein wogender schwarzer Fellteppich.
Konko-Hito führte seine göttliche Begleitung in den protzig aufragenden Stadtteil Shinjuku. Auf einem Dach neben dem Ausgang einer Metrostation hielten sie inne undbetrachteten den unglaublich dichten Strom von Japanern, die zu ihrer Arbeit eilten. An den Straßenecken gab es in Münzautomaten künstlichen Sauerstoff. Alte Leute und Asthmatiker atmeten Frische ein, die sie aus den Geräten für Geld gekauft hatten.
Gott beobachtete das Treiben und sagte:
»Als ich seinerzeit die Erde schuf, konnte ich mir nicht mal im Traum vorstellen, was sich der Mensch in seiner Gier alles ausdenkt. Ich dachte, dass das Land, das Wasser, die Luft und das Sonnenlicht sämtlichen Mitgliedern der Schöpfung frei zur Verfügung stehen sollten. Anfangs war das auch der Fall, aber sowie der Mensch kultivierter, sich also seiner Gier bewusst wurde, wurde aus jenen Grundrechten ›Eigentum‹. Die Menschen eigneten sich zunächst das Land, dann die Gewässer und jetzt sogar schon die saubere Luft an.«
Gott fand es traurig, feststellen zu müssen, dass der Mensch es für sein Recht hielt, das von ihm, Gott, geschaffene Land an sich zu bringen. Seit Jahrtausenden wurde für das Land ein Preis festgelegt, jeder x-beliebige Mensch konnte es kaufen und verkaufen. Den Tieren, die einst die Erde beherrschten, war das Recht darauf genommen worden. Schließlich war es undenkbar, dass sich ein Tier ein passendes Stück Weideland kauft. Die Tiere besaßen ja kein Geld, denn das war ebenfalls eine Erfindung des Menschen, und auch kein Recht, Land zu besitzen. Die Tiere konnten natürlich auch keines von ihren Eltern erben, so wie die Menschen.
»In ihrer Gier haben die Menschen das von mir geschaffene Land besetzt, zunächst waren es die Bauern, die die besten Parzellen für sich und ihre Familien genommenhaben, dann brachten die Stämme größere Gebiete an sich und schließlich die Völker ganze Erdteile. Heute treiben die Menschen Handel mit meinem Land und rauben den Ärmsten sogar das Recht, an ihren Siedlungsorten kostenlos Reis anzubauen.«
Gott ärgerte sich außerdem darüber, dass die Menschen das Wasser stahlen, mit dem er die Erde ausgestattet hatte. Es wurde über Wasserleitungen gegen eine Gebühr verteilt. Dasselbe betraf nun auch schon die frische Luft, wie man hier sah: eine Münze in den Automaten! Das von ihm, Gott, geschaffene Element, den Sauerstoff, durfte nur einatmen, wer das Geld dafür hatte. Die Armen mochten ersticken! Gott vermutete, dass bald auch der Genuss des Sonnenlichtes nur gegen Erlaubnis und Gebühr möglich sein würde – spätestens dann, wenn die Menschheit einen Weg gefunden hätte, das Sonnenlicht zu regulieren, aufzufangen und den im Schatten dahinsiechenden bleichen Armen zu verkaufen. Haarsträubend!
Konko-Hito nahm all seinen Mut zusammen und äußerte die Vermutung, dass man diese Probleme möglicherweise überwinden würde, wenn sich die gesamte Menschheit zum christlichen Glauben bekehrte. Wenn sie das Beispiel befolgen würde, das einst Jesus Christus, Gottes einziger Sohn, gegeben hatte, könnte alles gleichmäßig nach Bedarf verteilt werden, das Land, das Wasser wie auch die Luft. Das allerdings bezweifelte Gott:
»Daran glaube ich nicht. Was sagst du dazu, Konko, dass die christliche Kirche selber Land besitzt und daran vehement festhält? Die Kirchenfürsten häufen Geld an, genau wie die Geschäftsleute, da gibt es überhaupt keinen Unterschied. Ach ja, da wir gerade von Geschäftsleuten reden:Wir wollten ja nachsehen, wie es dem Rahikainen geht«, erinnerte er sich.
Konko-Hito
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