Der Liebe Gott Macht Blau
führte Gott und Pirjeri ins prächtigste Hotel von Shinjuku, die zur Hyatt-Kette gehörende Perle des Fernen Ostens , ein Dutzende von Stockwerken hoher Turm, der die Wolken zerteilte und von Glas und teuren Metallen blinkte. Das Vestibül war eine palastähnliche Halle, mehrere Etagen hoch, an der Decke hingen drei gewaltige Kristallkronleuchter von der Größe eines Lieferwagens. Selbst Gott staunte über diesen unglaublichen Prunk. In seinem Himmel wäre eine so ungeheure Verschwendung nie erlaubt.
Der fünfzig Meter lange Empfangstresen glich einer blinkenden Barrikade, auf der einen Seite wimmelte es von internationalen Großkaufleuten, und auf der anderen Seite scharwenzelten geschäftige und dienstbeflissene Portiers, Geldwechsler, Fakturisten, Guides und Hotelchefs herum. Konko-Hito erkundigte sich, in welchem Zimmer der finnische Geschäftsmann Rahikainen wohnte. Der Portier warf einen Blick auf seinen Monitor und erwiderte:
»Mr. Rahikainen hat mitgeteilt, dass er nicht gestört werden möchte, tut mir leid.«
»Wir sind extra aus Europa angereist, um ihn zu treffen. Könnten Sie ihn informieren, dass Mr. Ryynänen mit seiner Begleitung aus Finnland hier ist?«
»Ich bedaure, aber Rahikainen hat mitgeteilt, dass man ihn nicht wecken darf, selbst wenn ihn der Teufel persönlich sprechen wollte.«
Konko-Hito spähte auf den Monitor und entdeckte Rahikainens Zimmernummer, 1827. Alle dachten konzentriert an die achtzehnte Etage und das Zimmer Nummer 27, undschwupp, befanden sie sich dort. Der Raum war dunkel, die Vorhänge waren zugezogen. Ein örtlicher Engel war anwesend, eben der, den Koko-Hito alarmiert hatte, damit er nach dem Rechten sehen sollte.
Geschäftsmann Torsti Rahikainen lag halb bewusstlos und in elendem Zustand auf dem Bett, er hatte einen Eisbeutel auf der Stirn. Seine Lippen bewegten sich in lautlosem Gebet. Er stank wie ein Schwein nach abgestandenem Schnaps. Pirjeri erkannte sofort, dass sein alter Kumpel zu viel getrunken und jetzt schlicht und einfach einen Kater hatte. Das hätte er sich denken können. Sowie ein Finne Geld in die Hand bekommt, rennt er los und lässt sich volllaufen. Genau das hatte Torsti getan. Bestimmt hatte der Kerl schon im Flugzeug angefangen zu saufen und, am Ziel angekommen, natürlich weitergemacht, sodass er jetzt verkatert vor dem Allmächtigen lag. Ein hübscher Anblick, wirklich. Pirjeri schämte sich. Und dass Rahikainen auch noch die Frechheit besessen hatte, zu Gott um Linderung seines Zustands zu beten, war der Gipfel. Der Kater ist eine Krankheit, die keinen Unschuldigen packt. Das muss jedem Säufer klar sein.
Konko-Hito fragte den örtlichen Engel, eine jüngere Japanerin, was genau passiert sei.
Es stellte sich heraus, dass der besagte Sterbliche am Vortag auf dem Flughafen Narita in auffallend fröhlicher Stimmung angekommen war. Er war mit dem Taxi ins Stadtzentrum gefahren, hatte sich mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut gemacht, vor allem mit den Gaststätten und mehreren Geishalokalen. Er hatte an den Tokioter Straßenecken Münzautomaten entdeckt, in denen Süßigkeiten, Kaffee, belegte Brote und sogar Dosenbier verkauftwurden. Geschäftsmann Rahikainen hatte die grandiose Idee gehabt, zwölf solcher Automaten zu erwerben, um sie nach Finnland transportieren zu lassen, zur Erprobung zunächst in die Helsinkier Stadtteile Malmi und Tikkurila. Er hatte Vertreter jener Firma aufgegabelt, die die Automaten vermarktete, und einen Vorvertrag über den Export nach Finnland abgeschlossen. Rahikainen hatte die geforderten fünf Prozent vom Kaufpreis bar bezahlt. Nachdem der Vertrag unterschrieben war, hatte er sich endlich hier im teuersten Hotel des Stadtteils ein Zimmer genommen und, berauscht durch den gelungenen Geschäftsabschluss, noch reichlich nachgetankt. Anschließend war er krank geworden und lag nun in elender Verfassung im Bett. In den frühen Morgenstunden hatte er begonnen, zu Gott zu beten und ihn um Linderung seines Zustands zu bitten.
»Die Gebete sind tatsächlich bis nach Bulgarien gedrungen«, merkte Konko-Hito an.
Der liebe Gott bekam Mitleid mit dem einsamen, geplagten Reisenden. Er versprach, sich des armen Kerls zu erbarmen, war er doch ein alter Freund Pirjeris. Gott hielt schützend die Hand über den leidenden Sünder im Bett, segnete ihn und sprach:
»Schlummere in Frieden, du ruheloses Menschenkind, wenn du aufwachst, wirst du völlig wiederhergestellt sein, und du wirst bemerken, dass sich der von dir
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