Der Liebe Gott Macht Blau
Seite, wir sind zu zweit.«
Pirjeri fasste Mut. Er war bereit, aufs Ganze zu gehen, falls erforderlich.
Von Afghanistan begaben sich Gott und Pirjeri in den Nahen Osten, in die Grenzregion zwischen Irak und Iran. Wenn sie schon in der Ebene bei Haibak viele Panzer gesehen hatten, so fanden sie hier die Fortsetzung. Allerdings waren diese Panzer völlig zerschossen, und die Sandstürme hatten sie schon fast zugedeckt. Verbrannte Autos, verlassene Kanonen, zerschossene Helme, vermoderte Kampfgürtel und Stiefel, überall in der Wüste vergammelter Kriegsschrott. Hier und da ragten Skelette oder Schädel von Soldaten aus dem Sand. Auch dieser Krieg war über Jahre geführt worden, man hatte nicht alle Gefallenen eingesammelt, vielleicht wegen der Minen. Gott erklärte, dass diese Kriegsvölker, die Araber und Perser, es mit der Bestattung ihrer Gefallenen nicht so genau nahmen. Zwar bestatteten die Moslems ihre Toten innerhalb von vierundzwanzig Stunden nach deren Ableben, aber wenn mehr Zeit verging, wie es im Krieg oft der Fall war, erlahmte ihr Interesse an der Sache, und die Aasfresser der Wüste durften den Rest erledigen.
Gott konstatierte bitter, dass in diesen traurigen Sandwüsten der Satan viele Jahre lang gewütet hatte. Aber jetzt, da die Götter nach ihm suchten, traute er sich nicht hervor. »Er hat Angst, da wir zu zweit sind und er allein ist. Der Teufel ist ein Feigling«, sagte er zu Pirjeri.
Er erklärte, dass man sich an den Krieg nie gewöhnte, er jedenfalls konnte es nicht, in seinen Augen war der Krieg die größte Geißel der Menschheit.
»Aber ich habe ja auch Schönheit auf der Welt geschaffen, schöne Frauen und herrliche Gegenden«, fügte er hinzu. Er schlug vor, dass sie sich nun zur Abwechslung ein paar irdische Paradiese ansehen sollten. Die gab es hier unddort, Erdenwinkel, die von den Menschen als Paradiese bezeichnet wurden. Ganz in der Nähe, in Georgien, lag eines der schönsten.
Sie begaben sich mit der Kraft der Gedanken nach Georgien, in ein bezauberndes Gebirge nördlich von Tbilissi. Der Anblick war atemberaubend: Tief im Tal strömte ein Fluss mit klarem Wasser dahin, eingerahmt von sanft gewellten Wiesen, auf denen Schafherden weideten, etwas höher am Hang lag ein kleines Dorf mit entzückenden kleinen Gässchen und Häusern. Dichte Wälder und Weingärten schützten es vor den Gebirgswinden. Hoch oben an einem zerklüfteten schneebedeckten Berg stand eine steinerne kleine Kirche, zu der sich ein Pfad hinaufschlängelte. Gott führte Pirjeri nach dort oben. Hinter der Kirche befand sich ein Friedhof und darauf ein einsamer Stein, in den auf Kachetisch die rätselhaften Worte gemeißelt waren:
»Tausend und einen Tag
im Vollrausch
durch Gottes Gnade.«
Gott erzählte, dass unter dem Stein ein hiesiger Märchendichter begraben lag, der unglückliche Haleb Visnazola, der in diesem Jahrhundert gelebt hatte.
»Soweit ich mich erinnere, lebt Haleb schon länger nicht mehr. Er war seinerzeit ein populärer Verfasser von Fabeln, also Tiermärchen. Die Kinder liebten seine gleichnishaften Geschichten, die er hauptsächlich im kachetischen Dialekt schrieb. In einer dieser Geschichten nun hatte er Josef Stalin in eigener Person kritisiert, oder jedenfalls wurde das Bild vom Wolf und den auseinandergejagten Lämmern im Exekutivkomitee der örtlichen kommunistischen Partei so interpretiert. Dafür hätte der Dichter fast seinen Kopfeingebüßt. Er flüchtete sich in die Berge und hielt sich jahrelang hier versteckt. In seiner Einsamkeit fing er an, zu mir zu beten. Ich half ihm auch hin und wieder und besuchte ihn sogar einmal. Eine interessante Persönlichkeit, las mir seine traurigen Märchen vor. Der arme Kerl tat mir leid.«
Der Schriftsteller hatte als Gnadengeschenk von Gott tausend und eine Magnumflasche besten georgischen Sekts erbeten. Er hatte erklärt, dass er in ihrer Gesellschaft die letzten Jahre seines Lebens, genauer gesagt tausend und einen Tag, verbringen wollte. Die Menschen hatten ihn verstoßen, auch seine Kinder durfte er nicht mehr sehen, aber er versprach sich Trost von dem Trank aus Reben, die unter der Sonne Georgiens gereift waren.
Gott hatte die Bitte um Sekt zunächst etwas unbotmäßig gefunden, aber dann hatte er sich gesagt, warum nicht, Sekt gab es genug in Georgien. Es wäre ganz in Ordnung, aus den riesigen nationalen Beständen einem in Ungnade gefallenen Eremiten und Schriftsteller tausend Flaschen zu schenken. So war denn eine
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