Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers
sprechen«. Zur Begründung hieß es: »Es gibt kein Motiv, das erkennen läßt, warum der Angeklagte verleumdet werden sollte. Reichenstein sagt das zu allen, die ihn belasten, aber er kann keine Gründe angeben, warum ihn die Zeugen belasten und verleumden.«
Wegen des Hühnerdiebstahls, bei dem auf den Bauern Hagen geschossen worden war, hatten die Ankläger zunächst »versuchten Mord« unterstellt. Dr. Zimmermann erklärte nun aber, dass »ein schlüssiger Beweis dafür nicht erbracht« sei, Reichenstein habe »gezielt geschossen«. Es könne nur eine Verurteilung wegen »gemeinschaftlichen schweren Raubes« erfolgen.
Anders sei die Beweislage im Fall Dr. Stürmann. Reichenstein sei »des Mordes überführt«. »Die entscheidende Frage«, erläuterte der Staatsanwalt, »ob der Mitangeklagte Büning glaubwürdig ist, muss bejaht werden. Ich schließe mich dabei völlig der Meinung der Sachverständigen an, die zu einem einstimmigen Fazit ihrer Untersuchungen gekommen sind: glaubwürdig. Es gibt auch keinen Grund für etwaige Beschuldigungen Bünings.«
Aber das sei »noch nicht alles«: »Wir haben die Tatwaffe aus dem Fall Dr. Stürmann. Diese Waffe ist eindeutig von mehreren Zeugen als Eigentum Reichensteins – auch wenn dieser es bestreitet – erkannt worden. Die Einlassung des Angeklagten, er könne diese Tat nicht mit Büning begangen haben, weil er diesen erst später kennengelernt habe, ist nach den Aussagen seiner Frau und zweier anderer Zeugen als widerlegt anzusehen. Auch sind alle Angaben Bünings zum Überfall auf Dr. Stürmann durch die Ermittlungen bestätigt worden, was zu dem zwingenden Schluss führt, dass der Angeklagte Reichenstein den Dr. Stürmann erschossen hat …«
Reichenstein lächelte nur verächtlich.
»… Er ist schuldig des vorsätzlichen Mordes in Tateinheit mit schwerem Raub und versuchter Anstiftung zum Mord an dem Begleiter des Getöteten. Nach der Aussage Bünings hat er unmittelbar im Anschluss an die Ermordung Dr. Stürmanns zu Büning gesagt: ›Ich dulde keine Mitwisser. Nimm du meine Pistole und erschieß den anderen auch, deine brauchst du nicht zu versauen.‹ Der hat dies jedoch verweigert.«
Dem Angeklagten Büning indes sei »eine Mordabsicht nicht nachzuweisen«. Er könne nur »des gemeinschaftlichen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung als überführt angesehen werden«.
»Das Jahr 1955 fing für Reichenstein recht glücklich an«, setzte der Staatsanwalt Scherf das Plädoyer fort. »Der Angeklagte brachte bei einem Einbruch in einem Waffen- und Schmuckgeschäft Diebesgut im Wert von etwa 4000 Mark an sich. Das Zeugnis seiner Ehefrau, die eine dort gestohlene Halskette zu Karneval hat anlegen sollen, ist untrüglich. Die erbeuteten sieben Pistolen hat Reichenstein in einem von ihm selbst angelegten Versteck verborgen.«
»Nach der Aussage Bünings – und ihm ist zu folgen –«, plädierte der Staatsanwalt, »hat der Angeklagte Reichenstein schon früher gemeinsam mit Büning Liebespaare überfallen wollen. Büning hat sich jedoch geweigert, und so ist es nicht zur Ausführung dieser Vorhaben gekommen. Weniger harmlos war jedoch ein Vorfall am 4. Mai 1956. Beide, Reichenstein und Büning, sind bewaffnet über die Krefelder Landstraße hinter Büderich gegangen. Reichenstein hat im Wald ein Streichholz aufflammen sehen und ist mit Büning in den Wald eingedrungen. Dort hat man ein Liebespaar überfallen und sich der versuchten schweren Nötigung und der schweren räuberischen Erpressung schuldig gemacht. Beweis für diese Tat ist die Aussage Bünings.«
Die Verhandlung steuerte jetzt auf ihren Höhepunkt zu. Dass die Ankläger einen Schuldspruch im Fall Dr. Stürmann beantragen würden, damit war allgemein gerechnet worden. Aber wie würde man sich bei den Doppelmorden entscheiden?
Staatsanwalt Scherf zählte zunächst alle Indizien auf, die im Fall Ingensandt/Mehnert auf eine Täterschaft des Hauptangeklagten hinwiesen: Reichenstein befasste sich mit chemischen Experimenten – in der Tatnacht wurde der Angeklagte von Büning zur Rotterdamer Straße gefahren – als Büning ihn Stunden später dort wieder abholte, wollte er in Reichensteins Gesicht Blutspritzer gesehen haben – die Pistole, die Büning Reichenstein geliehen hatte, sollte auffällig schmutzig gewesen sein – Reichenstein sollte zu Büning auffallend und unangebracht freundlich gewesen sein – die Region ringsum den vermutlichen Tatort kannte Reichenstein
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