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Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers

Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers

Titel: Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Harbot
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»rückhaltlose Geständnis«. Seine Beteiligung im Mordfall Dr. Stürmann war zudem lediglich als »schwerer Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung« gewertet worden. Büning würde überdies seine »bürgerlichen Ehrenrechte« behalten dürfen, und die Untersuchungshaft von fast drei Jahren sollte ihm »voll angerechnet« werden. Demnach würde er bald ein freier Mann sein. Vielleicht schon in wenigen Monaten.
    Nach Verkündung der Strafanträge erhob sich Reichenstein und sprach lächelnd und scheinbar unbeeindruckt mit seinen Verteidigern, die sich am nächsten Tag insbesondere an die Geschworenen wenden und versuchen würden, die Indizien der Staatsanwaltschaft zu zerpflücken, zweifelhaft erscheinen zu lassen. Büning hingegen, noch bleicher als sonst, lauschte andächtig den Ausführungen seines Verteidigers. Das unentwegte Lächeln Dr. Lützenraths schien Zufriedenheit zu signalisieren.
    Nachdem Dr. Näke die Sitzung beendet hatte, wurde heftig und kontrovers und lautstark diskutiert. Die Morde an Lieselotte Ingensandt und Wilfried Mehnert sollten ungesühnt bleiben – obwohl es vor dem Prozess noch geheißen hatte, »die Liebespaar-Morde können nur von demselben Täter begangen worden sein«. Nicht nur die Kripo war davon überzeugt gewesen. Wenn Reichenstein den zweiten Doppelmord verübt hatte, musste er dann nicht auch zwangsläufig im Fall Ingensandt/Mehnert der Täter gewesen sein?

41
    10. Dezember 1959, sechzehnter Verhandlungstag.
    Vor Beginn ihrer mit Spannung erwarteten Plädoyers stellten die Verteidiger Reichensteins einen neuen Beweisantrag. Es wurde gefordert, »zwei Psychologen über die Glaubwürdigkeit Bünings zu hören«. Die Beurteilung dieser Frage falle nämlich nicht in das Sachgebiet der Psychiatrie. Es sei »nicht Aufgabe der hier gehörten Sachverständigen gewesen«. Ferner sollte das Gericht die Kriminalpolizei auffordern, eine Aussagegenehmigung für Hauptkommissar Eynck zu erteilen, »damit dieser den V-Mann namentlich benennt«. Dieser Verbindungsmann zwischen Verbrechern und Verbrechensbekämpfern hatte Büning erheblich belastet, nur nicht vor Gericht. Und der Zeuge Eynck hatte diese Beschuldigungen lediglich als »märchenhafte Erzählungen Bünings« abgetan. Schließlich wurde noch beantragt, eine Patentanmeldung zu verlesen. Der Grund: Das Dokument sollte »das noch jetzt bestehende Interesse Reichensteins an Waffen belegen«.
    Nach einstündiger Beratung fasste das Gericht folgenden Beschluss: Punkt eins des Antrags wurde abgelehnt, da die »gehörten Gutachter auch genügend Fachkenntnisse auf dem Gebiet der Psychologie besäßen«. Zum zweiten Anliegen der Verteidigung hieß es, ein entsprechendes Ersuchen des Gerichts an die Kripo sei bereits Monate zuvor abgelehnt worden. Punkt drei wurde »als wahr unterstellt«.
    Als erster Verteidiger erhielt Dr. Lützenrath das Wort. Er diskutierte zunächst das Thema dieses Prozesses, die Glaubwürdigkeit seines Mandanten: »Die Verhandlung wird beherrscht von der Wahrheitsliebe des Fritz Büning. Da mit der Beurteilung dieses Angeklagten der Ausgang des Gesamtprozesses steht und fällt, weise ich nachdrücklich darauf hin, dass ohne das Geständnis und ohne die erschöpfenden Darstellungen des Angeklagten dieser Prozess nie stattgefunden hätte. Fritz Büning hat aber auch das beste Alibi, das ein Täter haben kann, nämlich die Wahrheit, die ungeteilte Wahrheit. Niemals ist es einem der Prozessbeteiligten gelungen, aus diesem Gebäude einen Stein herauszubrechen.«
    Der Anwalt bestritt die Behauptung der Gegenseite, sein Mandant habe Sicherungen in sein Geständnis eingebaut, um sich nicht selbst allzu schwer zu belasten. Er bezweifelte auch nicht, wie es einer der Psychiater getan hatte, die Ernsthaftigkeit des Selbstmordversuchs Bünings während der Untersuchungshaft: »Es gibt nur einen Selbstmörder, der nicht simuliert, und das ist derjenige, der nicht mehr lebt!«
    In warmen, behaglichen Pastelltönen malte Dr. Lützenrath ein betörendes Bild Bünings: ein junges Bürschlein, einundzwanzig Jahre alt, unverdorben, tierlieb, naturverbunden, freundlich zu seinen Mitmenschen, das kurz vor dem Fall Dr. Stürmann Erwin Reichenstein in die Hände gefallen sei. »Von einer unseligen Jagdleidenschaft abgesehen, ist Büning bis dahin nicht mit dem Gesetz kollidiert«, wandte der Verteidiger sich an die Geschworenen. »Nichts Negatives ist zu erfahren gewesen. Er war ein Waldläufer in der rheinischen Tiefebene,

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