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Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers

Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers

Titel: Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Harbot
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Hindernis: Sie waren nicht zuständig. Die Ermittlungsbehörden in Magdeburg wurden postwendend informiert, die Mordwaffe im Fall Dr. Stürmann überbracht. Denn das Opfer war auch mit einer »Parabellum 08« erschossen worden.
    Die Staatsanwaltschaft Magdeburg ließ die Waffe von Experten untersuchen. Fehlanzeige. Doch nur wenige Tage später schien sich die Beweiskette in einem anderen Fall zu schließen: Die Kriminaltechniker hatten nämlich herausgefunden, dass mit der Waffe, die Dr. Stürmann tödlich verletzt hatte, im Frühjahr 1948 auch ein Mordversuch an einem Volkspolizisten begangen worden war. Jetzt zeigten sich auch die Ermittler in Magdeburg an Reichenstein »hochinteressiert«.
    Als im Juni 1957 die Ermittlungen der Düsseldorfer Kripo abgeschlossen waren, wurde der Verdächtige an die Behörden in Ostdeutschland »verliehen«. Diese zum damaligen Zeitpunkt zwischen Ost und West ausgesprochen ungewöhnliche Maßnahme hatte erst einen Deal möglich gemacht: Reichenstein durfte »drüben« nicht abgeurteilt, sondern lediglich »im Interesse der Wahrheitsfindung verhört« werden. Doch Reichenstein war auch von den Magdeburger Verhörspezialisten nicht zu knacken. So traf nach Einschätzung der ostdeutschen Ermittler der »intelligente, hartgesottene, kaltschnäuzige und sture Häftling« nach sechs Wochen wieder in Düsseldorf ein und wartete in Zelle 16 des Untersuchungsgefängnisses auf seinen Prozess.
    Dorothea Scholz und ihre Begleiterinnen waren von Reichenstein und seinem Komplizen nicht umgebracht worden. Aber: »Wir kamen dann an einen Ort an der Zonengrenze«, erzählte die Zeugin, »den Namen weiß ich nicht mehr, da wurden wir durch unwegsames Gelände in ein Wasser geführt. Reichenstein und der andere Mann verschwanden plötzlich mit unserem Gepäck, kamen aber bald wieder. Wir stellten dann fest, dass die Koffer leer waren. Wir haben nicht protestiert, weil wir große Angst vor den Männern hatten!«
    »Stimmt das?«, fragte der Vorsitzende Reichenstein.
    »Nein, was meine Person betrifft. Ich kenne diese Frau nicht!«
    Die temperamentvolle und resolute Zeugin widersprach heftig: »Wenn ich ihn heute sehe, dann ist er es ganz genau. Etwas jünger war er, aber er hat sich nicht viel verändert!«
    »Vielen Dank, Frau Scholz.« Dr. Näke stellte die »Unwesentlichkeit« der Aussage fest und erklärte, in diesem Verfahren alle »Grenzübergangs-Geschichten« auszuklammern. Die Beweisaufnahme war damit beendet.
    »Hat der Angeklagte Reichenstein sich schon Gedanken darüber gemacht, ob er zu seinem letzten Wort längere Ausführungen machen will?«
    Der Gefragte stand auf und lächelte. Dann sagte er konziliant, aber bestimmt – und immer noch schmunzelnd: »Längere Ausführungen werden es bestimmt nicht werden. Aber ich werde auf jeden Fall etwas sagen!«
    Der Vorsitzende kündigte für den kommenden Sitzungstag das Plädoyer der Anklagevertreter an. Niemand konnte zu diesem Zeitpunkt ahnen, dass es eine erste faustdicke Überraschung geben würde.

40
    9. Dezember 1959, fünfzehnter Verhandlungstag.
    Es war atemlos still in dem bis zum letzten Platz gefüllten Zuschauerraum, als der hochgewachsene Staatsanwalt Dr. Zimmermann die unsäglichen Gräueltaten schilderte, die man den beiden Angeklagten glaubte, nachgewiesen zu haben. Und es wurde nicht das, was es hätte werden können: eine Inszenierung, ein Scherbengericht. Zurückhaltend und sachlich ging es zu.
    Der erste Staatsanwalt sah zu Beginn seines Plädoyers den Angeklagten Reichenstein des Viehdiebstahls »für überführt« an. An der Glaubwürdigkeit seines Komplizen Martin Zenker sei »nicht zu zweifeln«. Dr. Zimmermann erwähnte, dass der Zeuge im Gegensatz zu Reichenstein einen gemeinsamen Diebstahl auf einem Friedhof eingeräumt habe, der vom Angeklagten bei der Gegenüberstellung mit Zenker noch abgestritten worden sei.
    In diesem Moment sprang Reichenstein unvermittelt auf und brüllte: »Das ist nicht wahr! Alles Verleumdung!«
    »Halten Sie den Mund!« Dr. Näke fuhr energisch dazwischen. »Jetzt hat der Staatsanwalt das Wort!«
    Es verging eine Weile, bis Reichensteins Verteidiger ihn wieder so weit beruhigt hatten, dass der Staatsanwalt fortfahren konnte. Der postulierte für die Viehdiebstähle die Verurteilung des Angeklagten wegen »gemeinschaftlichen schweren Diebstahls«. Zum Anklagepunkt der »Autofallen« forderte Dr. Zimmermann, den Angeklagten »in zwei Fällen des versuchten schweren Raubes schuldig zu

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