Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers
schon mehrere Liebespärchen in Fahrzeugen an einsamen Stellen der Stadt überfallen wurden, die Männer aber aus Schamgründen den Vorfall nicht der Polizei meldeten. Gerade aber diese Angaben können für die Polizei von ungeheurer Wichtigkeit sein. Es ist daher unbedingt notwendig, daß die Betreffenden jetzt vorsprechen. Absolute Verschwiegenheit ist zugesichert. Auf Wunsch kann sogar die Anonymität gewahrt bleiben.
Es ist wahrscheinlich, daß sich der Täter in irgendeiner Form mit Blut bespritzt hat. Die Kriminalpolizei fordert vor allem die Wäschereien auf, achtzugeben. Anzeigen in den Kinos und Plakate werden die Bevölkerung in diesen Tagen nachdrücklich auf den zweiten scheußlichen Doppelmord innerhalb weniger Monate in Düsseldorf hinweisen. Auf die Bevölkerung kommt es an, ob das bzw. die Verbrechen aufgeklärt und der Täter seiner gerechten Strafe zugeführt wird.«
Horst Lemper, Chef der Mordkommission, hatte sich für eine »Medienoffensive« entschieden, weil nicht nur er der Auffassung war, dass der Täter schon vor den Morden mehrfach versucht haben könnte, an Liebespaare heranzukommen – ihm dies jedoch nicht gelungen war. Aber vielleicht war er dabei beobachtet worden. Vielleicht kannte jemand das Gesicht jenes Mannes, den die Zeitungen unterdessen den »Liebespaar-Mörder« nannten. Und vielleicht würde er oder sie sich bei der Polizei melden und eine profitable Beschreibung des Gesuchten liefern. Lemper ließ also einen Ermittlungsabschnitt »Liebespärchen« einrichten. Sieben Beamte sollten fortan versuchen, sich auf diesem Wege dem großen Unbekannten zu nähern.
Obwohl die Ermittler davon überzeugt waren, dass der Mörder sich im Bereich der Tatorte und Leichenfundorte ausgekannt haben musste und demzufolge ein »örtlicher Täter« zu suchen sei, wurde die Fahndung auf die gesamte Bundesrepublik erweitert. Niemand konnte ausschließen, dass der Gesuchte früher schon ähnliche Scheußlichkeiten verübt hatte. Irgendwo. Irgendwann.
Um »weitere Zusammenhänge« erkennen zu können, formulierte man einen Fragenkatalog, der im Bundeskriminalblatt abgedruckt wurde:
»(…)
Wo sind ähnliche Verbrechen oder Versuche dazu bekanntgeworden?
Wo sind weitere Liebespärchen – eventuell Personen, die als Liebespärchen bisher nicht erkannt wurden – als vermißt gemeldet?
Wo sind Kleinkaliberschußwaffen zur (versuchten) Tötung oder anderen Delikten verwandt worden? Örtliche Überprüfungen!
Wo sind Spanner, die nachweislich sehr aggressiv gegen ihre Opfer geworden sind, aufgetreten?
Wo sind Fälle von Sittlichkeitsdelikten an Frauen in Gegenwart und unter Bedrohung des männlichen Begleiters oder entsprechende Taten bekanntgeworden?«
13
21. Februar 1956, 6.12 Uhr.
Als geöffnet wurde, schaute Friedhelm Köhler dem Mann nicht in die Augen, sondern inspizierte zunächst dessen linkes Ohr. Der Kriminaloberkommissar leitete die Ermittlungsgruppe von zwölf Beamten, die nach jenem Mann suchte, dem das linke Ohrläppchen fehlte und der einen himmelblauen Volkswagen besaß – und der sich Helga Kortmann gegenüber als »Matthias Roeder« ausgegeben hatte. Köhler nickte seinen Kollegen, die sich hinter ihm postiert hatten, vielsagend zu. Der Verdächtige wurde sofort kassiert und ins Präsidium gebracht, seine Wohnung durchsucht.
Eine knappe Stunde später begann das Verhör. Köhler und seinem Assistenten saß ein schmächtiger Mann gegenüber, hohlwangig, die blonden, kurz geschnittenen Haare akkurat nach links gescheitelt, Hornbrille, dunkler Anzug. Und wenn man genau hinsah, war zu erkennen, dass am linken Ohr des Verdächtigen ein Stückchen fehlte. Der Mann wirkte keineswegs nervös. Er saß einfach nur da und beobachtete aufmerksam die Beamten.
»Familienname?«
»Stahlschmidt.«
»Vorname?«
»Joachim Eduard.«
»Wann und wo sind Sie geboren?«
»Am 29. September 1925 in Minden. Das liegt in Westfalen.«
»Sie wohnen Kölner Landstraße 287?«
Stahlschmidt nickte.
»Familienstand?«
»Ich bin verheiratet. Meine Frau heißt Vera, geborene Hempel.«
»Kinder?«
»Nein.«
»Beruf?«
»Er ist allein da draußen im Nichts, und sein Lächeln und seine blank geputzten Schuhe sind seine einzigen Waffen. Und wenn sein Lächeln nicht mehr erwidert wird – geht die Welt unter.« Stahlschmidt lächelte vielmeinend.
»Was soll das?« Köhler verzog das Gesicht, als hätte er gerade in eine Zitrone gebissen. »Machen Sie keine Zicken!«
»Arthur Miller.« Stahlschmidt
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