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Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers

Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers

Titel: Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Harbot
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Angeklagten fragend an. »Und warum nicht?«
    Erstmals wirkte Reichenstein unsicher. Nach einem fragenden Blick zu seinem Anwalt antwortete er lediglich: »Dazu möchte ich hier nichts sagen.«
    Dr. Näke versuchte dem Angeklagten seine prekäre Lage begreiflich zu machen. »Der Arbeitskollege Ihrer Frau, der damals Ihre Pistole besaß, wird hier als Zeuge auftreten. Er hat in der Waffe, mit der Dr. Stürmann erschossen wurde, Ihre 08 wiedererkannt. Finden Sie das nicht eigenartig?«
    Reichenstein konterte sofort, das Gesicht unbewegt: »Ja, das ist wirklich sehr sonderbar, dass nämlich ein Mann, der eine Pistole nur zwei Tage in der Hand gehalten hat und noch dazu nur am Arbeitsplatz, sie nach so vielen Jahren wiedererkennen kann!«
    Trotz aller Hinweise des Vorsitzenden, wie »unglaubhaft« seine Angaben seien, behauptete Reichenstein gebetsmühlenartig: »Ich habe die Waffe zur Tatzeit nicht besessen. Ich bin kein Mörder!« Nur einmal verplapperte er sich, als er sagte: »Der Tag, an dem ich das Verbrechen an Dr. Stürmann beging …« Umgehend korrigierte er sich erkennbar verlegen: »Der Tag, an dem das Verbrechen begangen wurde …«
    Reichenstein bestritt sogar, bei einem Raubüberfall auf einen Bauern beteiligt gewesen zu sein – den er noch während der Untersuchungshaft zugegeben hatte. Sein Kommentar: »Ich habe kein Teil an dieser Tat.«
    »Aber Sie haben es doch in der Voruntersuchung gestanden!«, hakte Dr. Näke energisch nach.
    »Ich habe es getan unter dem Eindruck der Vielzahl von Fällen, die man mir zur Last legte. Ich wollte nicht immer bestreiten, um mich nicht verdächtig zu machen. Deshalb gab ich es zu.«
    »Dann haben Sie also bewusst etwas Falsches gesagt?«
    »Ja.«
    Endlich ein Geständnis – das keines war. Und auf alle weiteren Vorwürfe antwortete Reichenstein stets gelassen: »Ich habe nichts damit zu tun«, oder: »Das ist nicht wahr.« Ebenfalls seien Diebesgut wie Waffen, Munition, ein Motorrad, Uhren und Schmuck, die sich nachweislich in seinem Besitz befunden hatten, »Fundstücke« gewesen, die er »irgendwo aufgelesen« hatte. Reichensteins Aussagen wirkten wie einstudiert.
    Am Nachmittag des ersten Verhandlungstages wurde Büning angehört. Ausführlich behandelte das Gericht zunächst einen für den 8. Mai 1956 geplanten Raubüberfall auf die Allgemeine Ortskrankenkasse in Düsseldorf-Oberkassel.
    »Reichenstein hat mich gezwungen, mitzumachen«, ereiferte Büning sich. »Wir haben das Motorrad geklaut, uns Tarnanzüge angezogen, eine Sonnenbrille aufgesetzt und unmittelbar vor der AOK Schwämme in den Mund gesteckt, damit uns später keiner wiedererkennen konnte. Reichenstein hat mir vorher genaue Anweisungen gegeben. Er wollte die Leute in Schach halten, ich sollte über die Barriere springen und das Geld holen. Alle sollten sich mit dem Gesicht auf die Erde legen – bei Bewegung würde sofort geschossen. Und wenn ich nicht ebenso viele umlegen würde wie Reichenstein, würde ich selbst nicht lebend herauskommen. Als ich dann die Tür aufmachte, sah ich in der Schalterhalle eine Menge alter Leute stehen. Da habe ich mich rumgedreht und bin wieder gegangen. Reichenstein kam sofort hinter mir her, und als ich ihm sagte, von den Leuten da drin kenne mich jemand, hat er mich ausgeschimpft.«
    Was in den ersten Schilderungen noch wie Abhängigkeit oder Beschränktheit anmutete, entpuppte sich bei den folgenden Vernehmungen Bünings mehr und mehr als Groteske. Obwohl nicht daran zu zweifeln war, dass Reichenstein agiert und sein Kumpan lediglich reagiert hatte, schien die zur Schau gestellte Harmlosigkeit des Hauptbelastungszeugen doch eher Methode zu sein. So erklärte er beispielsweise auf die Frage, warum er bei dem gemeinschaftlichen Hühnerdiebstahl am 19. Dezember 1953 in Büderich gleich fünfzehn Hühner auf einmal gestohlen habe – Reichenstein sollte währenddessen mit entsicherter Pistole im Hof Schmiere gestanden und später auf den herbeieilenden Bauern einen Schuss abgegeben haben –: »Ich konnte ja erst dann mit dem Hühnerstehlen aufhören, wenn er zu mir sagte, daß ich aufhören sollte.« Und als der Vorsitzende wissen wollte, was mit den toten Hühnern passiert sei, erklärte Büning erst nach längerem Grübeln: »Ich glaube, die sind gerupft worden …«
    Mitunter klangen die Aussagen Bünings geradezu phantastisch; vor allem, wenn es um Verbrechen ging, die angeblich von Reichenstein minutiös geplant gewesen waren, aber nie stattgefunden hatten.

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