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Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers

Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers

Titel: Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Harbot
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dies war bei seiner Version der Ereignisse unerwähnt geblieben. Stattdessen hatte er stets sein Bemühen in den Vordergrund gerückt, »zu meiner Mutter zurückzukommen«.
    Fritz Büning, vier Jahre jünger als Reichenstein, konnte an den geschliffenen Auftritt seines ehemaligen Komplizen nicht heranreichen. Er blieb wortkarg, hatte »doch alles schon einmal zu Protokoll gegeben«. »In der Schule war ich eine ziemliche Niete, und um die Orthographie war es schlecht bestellt«, bekannte er mit dünner Stimme. Von Ostern 1937 bis Anfang 1945 besuchte er die katholische Volksschule in Büderich. »Ich bin aber nicht sitzen geblieben«, versicherte er. Nach der Schulentlassung schuftete Büning bei verschiedenen Bauern in Büderich und Lank-Ilverich. Im Juni 1949 fand er eine Anstellung in der Firma, bei der sein Vater seit Jahrzehnten beschäftigt gewesen war, und machte »auf Schlosser«. Von Anfang 1953 bis November 1955 war Büning nebenher als Jagdhüter tätig. Im April 1955 heiratete der damals 24-Jährige die Hausgehilfin Maria Nehmeier, zwei Jahre später wurde seine Tochter Monika geboren.
    Der Angeklagte hatte ein einseitiges Gedächtnis. An Daten aus seinem Leben wusste er sich selten zu erinnern, den Geburtstag seiner Tochter konnte er nicht nennen. »Fällt mir im Moment nicht ein«, gab er sichtlich verlegen zu Protokoll. Aber dafür wusste Büning, wann Vollmond gewesen war bei nächtlichen Pirschgängen im Wald, im Bundesjagdgesetz kannte er sich gut aus und zögerte nicht zu sagen, von welchem Tag an das Reichsjagdgesetz außer Kraft war.
    Auf die Beziehung zu Reichenstein angesprochen, sagte Büning, dass er ihn im Herbst 1952 als einen »anständigen, zuvorkommenden Menschen« kennengelernt habe. »Ich nahm ihn einige Male mit auf die Jagd, und er sagte mir, er habe noch nie jemand gesehen, der so gut schießen könne wie ich.« Mehrmals sei man daraufhin spazieren gegangen, um Schießübungen zu machen. Jetzt deutete sich eine erste Verbindung zu den Doppelmorden an. Jedes Mal, wenn man in die Nähe von Autos mit Liebespaaren gekommen sei, habe Reichenstein über die »Kapitalisten« geschimpft, die sich »Autos und Frauen und alles« kaufen könnten. Als Reichenstein bei einem solchen Spaziergang einen parkenden Wagen »beschleichen« und die Insassen »aufs Korn nehmen wollte«, um sie zu berauben und »die Alte flachzulegen«, habe er, Büning, sich geweigert. Daraufhin habe Reichenstein »ganz wütend« gedroht: »Du stirbst keinen schönen Tod! Du kriegst die Nieren durchlöchert und nicht einfach einen Fangschuß!«
    Büning hatte zwei Vorstrafen. 1953 war er zu einer Geldstrafe von 50 Mark verurteilt worden, weil er »unbefugt Kaninchen nachgestellt hatte«. Im März 1956 war er vom Jugendschöffengericht Neuss »wegen fortgesetzter schwerer, teilweise gemeinschaftlich begangener Jagdwilderei und wegen gefährlicher Körperverletzung« für acht Monate ins Gefängnis geschickt worden. Dr. Näke ließ aus der Urteilsbegründung vorlesen: »Der Angeklagte hatte in einer Nacht im November 1955 unbefugt dem Wilde nachgestellt. Ferner war er in der Nacht zum 9.1.1956 gemeinsam mit dem Zeugen Heinz Brenner auf einem Kraftrad mit aufgeblendetem Scheinwerfer durch das Jagdrevier gefahren, um im Scheinwerferkegel auftauchendes Wild zu erlegen. Hierbei wurden beide von dem Zimmermann Dönges gestellt. Der Zeuge Behrend versetzte diesem mit dem Gewehrlauf einen Hieb, und der Angeklagte schlug ihm mit der Faust ins Gesicht, so daß er zu Boden fiel.«
    »Sonst noch weitere Strafen?«, wollte der Vorsitzende wissen.
    »Nicht, dass ich wüsste«, gab Büning bescheiden zurück. »Aber den Rest kennen Sie doch. Anfang Januar 1957 bin ich in dieser Sache festgenommen worden.«
    Rückblende – Dezember 1956.
    Mathias Eynck, Chef der Mordkommission »Liebespaar-Morde«, versuchte es zunächst mit der Brechstange und besuchte den Hauptverdächtigen Reichenstein mehrmals im Gefängnis – um ihn »auszuquetschen«. Aber sobald der Hauptkommissar die Zelle betrat, zog Reichenstein einen Zeitungsausschnitt aus der Tasche und hielt ihn dem Beamten vor die Nase. Die Schlagzeile lautete: »Keine Gewißheit über angeblichen Doppelmörder – Experten warnen vor voreiligen Schlußfolgerungen«. Dann schrie der Verdächtige: »Was wollen Sie? Die anderen Polizisten haben das schon erledigt. Sie glauben nicht, dass ich der gesuchte Mörder bin. Und außerdem: Mit Ihnen rede ich kein Wort!« Und genauso kam es.

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