Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers
Sämtliche Versuche, mit dem Häftling ins Gespräch zu kommen, wurden kategorisch zurückgewiesen. Reichenstein verhöhnte jeden Kriminalbeamten, der zu ihm in die Zelle kam: »Wollen Sie mir schon wieder die Liebespaar-Morde in die Schuhe schieben? Wollen Sie unbedingt, dass ich gegen diese Art des Verhörs protestiere? Wissen Sie denn nicht, dass ich bestimmte Rechte genieße?«
Der Chef-Ermittler musste neue Wege beschreiten. Weil Eynck vermutete, dass Reichenstein die Morde nicht alleine begangen hatte und demnach einen Komplizen gehabt haben musste, ließ er jenen Mann mehrere Wochen beschatten, der als Reichensteins »bester Freund« galt. Doch dabei kam nichts Zählbares heraus. Dann aber machten die Ermittler bei der Überprüfung der finanziellen Verhältnisse Reichensteins eine hochinteressante Entdeckung – seine Frau Klara, die mit ihren Kindern von einer knappen Wohlfahrtsunterstützung leben musste, wurde monatlich mit Geldzuwendungen unterstützt. Der Name des Geldgebers: Fritz Büning. Und der Hilfsschlosser konnte sich derlei Großzügigkeit eigentlich gar nicht erlauben.
Warum tat Büning das? Aus Mitleid? Aus Fürsorge? Hatte er mit der Frau seines Freundes ein Verhältnis angefangen? Und woher hatte er all das Geld, das er eigentlich gar nicht hätte haben dürfen?
Eynck sah seine Vermutung bestätigt, dass Reichenstein und Büning nicht nur Freunde gewesen waren – sondern auch (Mord?)Komplizen. Jetzt musste schnell gehandelt werden. Bei einer Durchsuchung der Wohnung Bünings fand die Kripo ein Opernglas und Schmuck. Die Sachen waren ein knappes Jahr zuvor am 27. Januar 1956 bei einem Einbruch aus dem Geschäft des Uhrmachers Hermann Thören in Büderich bei Düsseldorf gestohlen worden. Büning wurde festgenommen.
Doch er stritt alles ab. Und tatsächlich: Büning konnte den Einbruch nicht verübt haben, er war zu dieser Zeit in Untersuchungshaft gewesen. Unterdessen waren einige der von Reichenstein im Meererbusch versteckten Waffen ebenfalls als Eigentum des Uhrmachers Thören identifiziert worden: darunter eine 9-mm-Pistole vom Typ »FN« und ein Kleinkalibergewehr der Marke »Browning«. Endlich ein Volltreffer!
Büning resignierte schließlich und räumte ein, die bei ihm gefundenen Beweismittel von Reichenstein bekommen zu haben. Nur von ihrer Herkunft wollte er nichts gewusst haben. Die Möglichkeit, dass Büning an den Doppelmorden beteiligt gewesen sein könnte, schied zumindest im Fall Kortmann/Seiffert aus. Damals hatte Büning ebenfalls noch im Gefängnis gesessen.
Eynck war einen kleinen Schritt vorangekommen. Er wusste, dass Reichenstein höchstwahrscheinlich den Einbruch beim Uhrmacher verübt hatte, und er wusste nun, dass Büning ihm noch längst nicht alles über seine Beziehung zu Reichenstein gesagt hatte.
Als die Ermittlungen abermals ins Stocken gerieten, kam der Kripo ein äußerst beliebter und zuverlässiger Kollege zu Hilfe – Kommissar Zufall. Am 15. Dezember setzten Arbeiter auf dem Büdericher Friedhof eine Einfriedungshecke um. Als sie einen alten Dornbusch ausgruben, stießen sie mit dem Spaten auf etwas, das dort gar nicht hätte vergraben sein dürfen: eine Miniaturschatztruhe, gefüllt mit Schmuck, Goldwaren, Uhren und Waffen, sorgsam eingewickelt in Autoschläuchen und luftdicht verpackt in Einweckgläsern. Der mysteriöse Fund wurde der Polizei übergeben.
Die meisten Gegenstände stammten wiederum aus dem Thören-Einbruch. Reichenstein musste das Versteck angelegt haben. Zum Verhängnis wurde ihm jedoch nicht die Pistole, die man gefunden hatte, sondern das Papier, in das die Waffe eingewickelt worden war. Es war die Ausgabe des Stern Nr. 7/56 vom 18. Februar 1956. Und auf Seite fünfundvierzig der Illustrierten stießen die Ermittler auf ein gelöstes Kreuzworträtsel. Reichensteins Schwägerin sagte schließlich aus, dass sie dieses Preisrätsel gelöst habe, und zwar im Haus von Erwin Reichenstein. Eine Schriftprobe beseitigte letzte Zweifel.
Schließlich gab auch Büning zu, dass Reichenstein das Versteck an der Büdericher Friedhofshecke angelegt hatte. Überdies war nach einem Gutachten des Bundeskriminalamtes ein Sägebügel, der neben dem Schmuck in der Truhe gelegen hatte, »höchstwahrscheinlich« dazu benutzt worden, um die Eisengitter vor dem Fenster des Uhrmachers durchzusägen, durch das die Diebe eingestiegen waren.
Der gerichtsfeste Beweis, dass Reichenstein das Versteck am Friedhof angelegt hatte, war die Voraussetzung, um ihn
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