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Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers

Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers

Titel: Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Harbot
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bin ins Kleinste sagen.«
    Doch erschien sein Gedächtnisschwund recht einseitig verlaufen zu sein. Wenn es um eigenes Verschulden ging, wurde Büning wortkarg – oder schwieg. Seine Aussagen waren stets darauf getrimmt, den eigenen Tatbeitrag herunterzuspielen, sich als »Helfer« oder »Retter« in der Not zu präsentieren. Er wollte ein willenloses Werkzeug seines Komplizen, nicht mehr als sein gehorsamer Befehlsempfänger gewesen sein. Denn der gebärdete sich »wie der Satan«, vor dem musste man sich fürchten, für den musste er »alles tun«. Auch die Art und Weise, wie er Dinge schilderte, nagte an seiner Glaubwürdigkeit: aufgekratzt, übernervös, unsicher. Die Gegenseite versuchte dies geschickt auszunutzen. Dr. König, der Reichenstein verteidigte, merkte dazu in einer Verhandlungspause vielsagend und unüberhörbar an: »Leute mit Komplexen wie Büning sind sehr gefährlich. Außerdem weiß ich als überzeugter Katholik, daß man sich eigentlich frei fühlen müßte, wenn man alles von seinem Gewissen heruntergeredet hat.« Der Anwalt spekulierte darauf, dass sein Statement am nächsten Tag in den Zeitungen abgedruckt würde. Auf diesem Wege sollten auch die Geschworenen davon erfahren. Dr. König wollte Zweifel säen. Berechtigte Zweifel?
    Wenn nur ein Bruchteil von dem stimmte, was Büning dem Schwurgericht erzählte, dann war Erwin Reichenstein nicht nur ein Serienkiller, sondern er sollte auch fortwährend mit diabolischen Plänen zur Massenvernichtung von Menschenleben beschäftigt gewesen sein.
    »Reichenstein hatte eine Wut auf alle Menschen, die glücklich waren«, berichtete Büning. »Er sagte, er würde sie eines Tages so erniedrigen und vernichten, wie es noch keinem gelungen wäre. Er drückte sich fein und gelehrt aus. Aber es war schlimmer, als wenn er es hart gesagt hätte. Weil er glückliche und reiche Menschen hasste, stellte er in seinem Laboratorium tödliches und betäubendes Gas her, das er in Ballons aufbewahrte. Darum experimentierte er auch mit Blausäure und Zyankali. Darum lieh er sich all die Fachbücher.«
    Diese eklatante Beschuldigung brachte der Angeklagte wie gewohnt in seinem schwerfälligen rheinischen Dialekt vor, aber ungewohnt flüssig und ohne zu stottern. Um seine Behauptung zu untermauern, erzählte er haarsträubend, bisweilen grotesk anmutende Geschichten:
    »Reichenstein hatte einen Spitz von einem Nachbarn, den er töten sollte. Wir nahmen das Tier mit in den Wald. Er band den Hund mit dem Halsband am Hinterrad seines Fahrrades fest, holte aus seiner Tasche eine Spritze, füllte sie aus einem mitgebrachten Fläschchen und gab dem Tier eine Injektion in den Oberschenkel. Der Hund drehte den Kopf. Er wollte wohl dahin beißen, wo ihn die Spritze getroffen hatte. Doch da fiel er schon um und war tot. Als ich das sah, merkte ich, dass Reichensteins Experimente keine Spielerei waren, sondern tödlicher Ernst.«
    Und: »Ich sollte die Katze erschießen. Reichenstein sagte: ›Nein, das mache ich anders.‹ Er nahm den Karton, in dem ich das Tier trug, mit in den Keller und ließ das Gas aus dem Ballon in eine Öffnung. Ich sollte die tote Katze dann vergraben. Als ich aber im Wald den Karton öffnete, sprang das Tier heraus und war lebendig. Da ließ ich es laufen.«
    Und: »Reichenstein wollte wissen, ob die Polizei etwas aus mir herausholen könnte. Er nahm mich mit ins Revier, holte einen Koffer aus dem Versteck bei der Ziegelei. Darin waren eine Spritze, ein Arztbesteck und eine Ampulle. Er machte mir eine Injektion in den Oberschenkel. Ich wurde benommen. Er fragte mich nach dem Stürmann-Mord, und wie man die 08-Pistole auseinandernimmt. Was ich antwortete, weiß ich nicht mehr. Ich muss dann besinnungslos geworden sein. Als ich zu mir kam, hatte er mich in seinen Mantel eingewickelt. Es war Winter und sehr kalt. Er sagte: ›Wenn ich nicht bei dir geblieben wäre, wärst du jetzt tot.‹«
    Und: »Er wollte eine Frau so zusammenschlagen, dass sie sich gerade noch nach Hause schleppen konnte. Dann sollte der Ehemann einen Zettel finden, den Reichenstein ihr vorher zustecken wollte.« Nur was auf dem Zettel stehen und warum all das passieren sollte, wusste Büning nicht zu sagen. Er zuckte auf Nachfrage des Vorsitzenden nur mit den Schultern.
    Manche Zuschauer schüttelten ungläubig den Kopf, andere schauten sich fragend an. Waren das nur Hirngespinste eines Ex-Junkies, der seinen einstmaligen Kumpel zum allgewaltigen Super-Gangster hochstilisieren wollte?

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