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Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers

Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers

Titel: Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Harbot
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gab er prompt.
    »Die Spritze wurde in einem Versteck am Büdericher Bahnhof gefunden.« Der Vorsitzende formulierte einen Vorhalt. »Es wurden daran Spuren von Zyankali festgestellt!«
    »Das kann gar nicht sein«, entgegnete der Angeklagte. »Das sind doch Kristalle. Ich habe die Spritze doch nur versteckt wegen meiner Frau, die wollte sie aus dem Haus haben.« Reichenstein hielt einen Moment inne. Dann ging er in die Offensive: »Ich weiß, warum Sie das alles fragen. Es wird behauptet, ich hätte mit Giften Menschenleben vernichten wollen. Ich interessierte mich für gefährliche Stoffe, aber ich habe sie nie gegen Menschen verwendet. Solche Versuche habe ich nie unternommen. Das ist alles Unsinn!«
    »Es ist zumindest merkwürdig«, gab Dr. Näke zurück. »Warum interessieren Sie sich eigentlich gerade für Narkose?«
    »Meine Frau war Krankenschwester, da wollte ich mich informieren.«
    »Aber die Aussagen Bünings passen zu Ihren wissenschaftlichen Neigungen …«
    Reichenstein gab sich weiterhin kämpferisch. »Ich habe sie nicht verborgen. Die Fachbücher nahm ich sogar mit zur Arbeitsstelle, um darin in den Pausen zu lesen. Hätte ich Verbrecherisches geplant, wie man mir vorhält, dann hätte ich sicher mein Interesse an der Chemie geheim gehalten.«
    »Aber diese Versuche waren doch gezielt!«
    Kopfschütteln.
    »Hat Büning denn alles erfunden?«
    »Soweit es meine Person angeht, ja.«
    »Wie war denn Ihr Verhältnis zu Büning?«
    »Es war ein rein sportliches Verhältnis.« Einige Zuschauer mussten lachen. »Gegründet auf unsere gemeinsame Freude am Schießen und Jagen. Ich lernte Büning durch einen Arbeitskameraden erst nach dem Mord an Dr. Stürmann kennen. Wir gingen öfter zusammen durch den Wald des Gutes Werhahn, dessen Jagdaufseher damals Büning war. Wir machten dort auch Schießübungen. Damit erschöpfte sich unser Verhältnis.«
    Nach eindringlichem Befragen erinnerte Reichenstein sich allerdings, dass er zwei Straftaten mit Büning begangen hatte – einen Kabel- und einen Viehdiebstahl. Es fiel ihm auch noch ein, dass er sich regelmäßig Geld von seinem Kumpel geliehen hatte – einmal 200 Mark für eine Reise, ein anderes Mal 600 Mark für ein Ostzonengeschäft mit Operngläsern. Er sei auch zur Hochzeit Bünings eingeladen gewesen. Andererseits habe es »Differenzen über Kleinigkeiten gegeben, aber niemals etwas Ernstliches«.
    Das wollte Dr. Näke nicht unwidersprochen lassen: »Büning stellt Ihr Verhältnis aber so dar, als sei er Ihnen gewissermaßen hörig gewesen!«
    Reichenstein antwortete kühl, beherrscht, emotionslos: »Das ist unwahr und dürfte sich aus den Aussagen unserer gemeinsamen Bekannten unschwer widerlegen lassen.«
    Nach der Mittagspause wurde noch einmal der Mord an Dr. Stürmann aufgerollt. Büning wiederholte monoton und schleppend seine Aussage vom Vortag. Doch gab es eine kurze Episode, in der sich eine Sensation anzubahnen schien. Die Leute im Zuschauerraum und auf den Pressestühlen hielten förmlich die Luft an, als Dr. Näke den Zeugen fragte: »Sie sind doch Littek vor dem Untersuchungsrichter schon einmal gegenübergestellt worden, nicht wahr? In den Akten steht, Sie hätten Littek etwas gesagt, das Sie aber nicht preisgeben, sondern für die Hauptverhandlung aufsparen wollten. Wie ist es damit?«
    Büning stutzte einen Moment. Dann sagte er mit tonloser Stimme: »Ich kann mich nicht erinnern.«
    Dann war Reichenstein wieder an der Reihe. »Mit Ihnen sind wir ja immer schnell fertig«, bemerkte Dr. Näke mit einem süß-sauren Lächeln. Und so kam es auch. Die Angelegenheit war für den Angeklagten mit nur einem Satz erledigt: »Ich kann mich nicht zu einem Verbrechen äußern, an dem ich nicht teilgenommen habe.«
    Der Ausgang des Verfahrens war vollkommen offen. So kommentierte die Neue Ruhr Zeitung zutreffend: »Das macht den großen Reiz an dem Mordprozeß gegen Erwin Reichenstein und Fritz Büning vor dem Düsseldorfer Schwurgericht aus: Die Waage in Justitias Hand schwankt erheblich, und es wird noch lange dauern, bis es entschieden ist, zu wessen Gunsten sich eine der Schalen senken wird.«
    Diejenigen Prozessbeobachter, die es aus reiner Neugier taten, waren überwiegend enttäuscht. Kein Spektakel. Kein überraschendes Geständnis. Kein Tobsuchtsanfall eines in die Enge getriebenen Killers. Kein Thrill. Und vor allem: Es gab kein »Monster« zu beäugen. Stattdessen saß in der Anklagebank mit Erwin Reichenstein ein blasser, junger Mann, den

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