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Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers

Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers

Titel: Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Harbot
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ungewohnt hastig sprechend, »dann hätte ich das Gegenteil tun müssen …«
    »Erklären Sie das mal!«
    »Reichenstein sagte mir vor einiger Zeit, wenn er verhaftet würde, müsste seine Frau sehr bald zum Schweigen gebracht werden. Ich sollte ihr entweder eine Ampulle mit Gift eingeben, dann würde sie sofort tot sein, oder ich sollte ihr was zu trinken geben. Und wenn sie dann betrunken wäre, mir Handschuhe anziehen, die Gashähne andrehen und die Wohnung verlassen.«
    Nur einer im Saal zeigte sich von dieser Ungeheuerlichkeit vollkommen unbeeindruckt – Erwin Reichenstein. Er reagierte nicht, verzog keine Miene, notierte lediglich, was sein Widersacher eben zu Protokoll gegeben hatte.
    Dr. Näke war mit der Antwort Bünings nicht zufrieden. Er fragte: »Sie haben hier aber immer noch nicht erklärt, warum Sie die Familie Reichenstein mit Geld unterstützt haben. Wie war es damit?«
    Der Angeklagte machte ein nachdenkliches Gesicht. »Ich kannte sie doch gut«, erklärte er schließlich. »Und sie taten mir leid, weil sie doch so gut wie nichts hatten – vor allem die Kinder.«
    Auch wollte Büning von Reichenstein genaue Anweisungen erhalten haben, wie er sich bei Vernehmungen durch die Kripo zu verhalten hätte. Darum habe er nach seiner Festnahme im Januar 1957 auch zunächst alles abgestritten. Aber da sei »die Polizei dran schuld gewesen«. Er sei im Leben »immer fair« gewesen, und er verlange von seinen Gegnern die gleiche »Fairheit«. »Die sind doch von Anfang an voreingenommen gewesen«, beschwerte er sich.
    Dann fragte der Vorsitzende den Angeklagten Reichenstein nach zwei Kassibern. Die erste Nachricht sollte er seiner kleinen Tochter Sonja bei einem Besuch im Gefängnis in die Tasche ihres Mäntelchens gesteckt haben. Diese Botschaft war für seine Frau bestimmt gewesen: Sie sollte zu Hause eine bestimmte Säge verschwinden lassen. Die andere Nachricht sei von Reichenstein in die Schuhe Bünings geworfen worden, die vor der Zellentür gestanden hätten. »Wenn Du weiter schweigst, können sie uns nichts anhaben, denn Zeugen fehlen«, habe auf diesem Zettel gestanden. Und: »Die Blutflecken, die Du auf meinem Anzug gesehen hast, die stammten von einem Kaninchen!«
    Nur den ersten Kassiber gab Reichenstein zu: »Ich wollte meiner Frau gewisse Zusammenhänge erklären.« Zum Zweiten sagte er nur: »Alles frei erfunden!«
    Schließlich kam man auf die Tablettensucht Bünings zu sprechen. Aus den Fragen des medizinischen Sachverständigen ging hervor, dass der Angeklagte abhängig gewesen sein musste – oder es noch war. Büning berichtete, er habe »laufend« Morphiumkapseln, Pervitin oder Luminal geschluckt. »Wenn Vollmond war oder wenn ich nicht schlafen konnte, habe ich manchmal ein ganzes Röhrchen verpulvert. Trotzdem bin ich nicht mal eingeschlafen.« Den Einwand des Gutachters, »Dann müssten Sie ja tot sein«, parierte Büning platt: »Wie Sie sehen, ich lebe noch!« Viele der Tabletten habe Reichenstein ihm ebenso wie einige Spritzen »aufgedrängt«. Auch in der Untersuchungshaft habe er noch Pillen bekommen. »Woher?«, wurde er vom Vorsitzenden gefragt. »Das kann mein Verteidiger beantworten«, entgegnete Büning ausweichend. Dr. Lützenrath wehrte sofort ab: »Ist nicht beabsichtigt.«
    Auch diese Episode machte deutlich, dass Büning ein zwielichtiger, unbequemer Zeuge war – tablettensüchtig, labil, leicht beeinflussbar, den hohen Anforderungen, die an ihn in diesem Prozess gestellt wurden, bestenfalls bedingt gewachsen. Die Anklage schien auf wackligen Füßen zu stehen. Nicht nur die Vertreter der Staatsanwaltschaft bangten: Wie lange würde der gesundheitlich angeschlagene Kronzeuge noch durchhalten?
    Ganz anders sein physisch und psychisch robust auftretender Gegenspieler, der mit durchdachten und plausibel erscheinenden Antworten immer wieder versuchte, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. So viel schien sicher: Reichenstein würde nicht einknicken, von ihm war kein Geständnis zu erwarten.
    Doch entgegen der allgemeinen Einschätzung und Erwartung kam es anders: In einem scharfen Verhör gelang es dem Vorsitzenden, Reichenstein erste Eingeständnisse zu entlocken – allerdings nur in Nebenfragen. Zutreffend sei von den Angaben Bünings, dass er an einem Hühnerdiebstahl teilgenommen, eine Milchkanne in seinem Garten vergraben, einen Kassiber aus dem Gefängnis geschmuggelt, seinem Komplizen Schmuck zum Verkauf gegeben und sich eine englische Maschinenpistole Bünings

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