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Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers

Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers

Titel: Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Harbot
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nicht angeklagt worden. Sie müssen damit rechnen, deshalb verurteilt zu werden. Ist Ihnen das klar?«
    »Jawohl, Herr Vorsitzender.«
    »Und Sie bleiben dabei?«
    »Ja.«
    »Wenn es stimmt, was Sie bei der Polizei ausgesagt haben, dann war in dieser Nacht doch noch etwas …«
    »Ja, das stimmt. Auf dem Heimweg kamen wir am Kalkumer Schloss vorbei. Da parkte nicht weit von der Straße ein Wagen. Man konnte erkennen, dass in dem Auto ein Liebespaar saß. Reichenstein hielt sofort an und sagte zu mir: ›Los, die schnappen wir uns!‹ Ich wollte aber nicht, die Sache war mir zu gefährlich. Ich radelte einfach weiter. Reichenstein hat fürchterlich geflucht.«
    Plötzlich tat Reichenstein etwas, mit dem niemand gerechnet hatte, das man von ihm nicht gewohnt war: Er schien die Beherrschung zu verlieren. Der Angeklagte ließ abrupt seinen Bleistift fallen, sprang auf und wandte sich ungeduldig an Dr. Näke: »Herr Vorsitzender, sind mir Fragen gestattet?«
    »Sie dürfen Fragen stellen.«
    Reichenstein drehte sich herum. »Ich habe zwar nichts damit zu tun«, begann er mit lauter und scharfer Stimme den Zeugen zu fragen, »aber in welchem Abstand vom Straßenrand waren die Nagelbretter ausgelegt?«
    Zenker wehrte ab: »Das weißt du doch am besten.«
    »Das ist keine Antwort auf meine Frage!«
    Der Vorsitzende musste eingreifen. »Herr Reichenstein, wollen Sie mit der Frage nicht bis zum Ortstermin warten?«
    »Nein. Ich warte auf einen Widerspruch. Meine Frage an den Zeugen ist noch nicht beantwortet.«
    Reichenstein wiederholte die Frage.
    Zenker entrüstete sich: »Herr Reichenstein, das weißt du doch genauso wie ich, wie wir die Bretter ausgelegt haben!«
    Staatsanwalt Scherf meldete sich zu Wort: »Herr Vorsitzender, ich protestiere gegen die Art und Weise der Fragestellung!«
    Dr. Näke verwarnte den Angeklagten: »Herr Reichenstein, ich habe nichts dagegen, wenn Sie dem Zeugen Fragen stellen. Aber machen Sie hier nicht solche Mätzchen!« Dann fragte er Zenker: »Reichenstein bestreitet das, was Sie da sagen. Ist es auch wirklich wahr, dass Sie das mit ihm gemacht haben?«
    »Ja.«
    »Haben Sie es nicht vielleicht doch mit einem anderen gemacht?«
    »Nein, wenn ich es nicht mit Reichenstein gemacht hätte, dann hätte ich es nicht anzuzeigen brauchen.«
    Der Vorsitzende blieb beharrlich. »Es wäre furchtbar, wenn Sie etwas Falsches gesagt hätten.«
    Doch Zenker wollte nichts zurücknehmen.
    Das Gericht hatte es unerhört schwer, aus den sich permanent widersprechenden Aussagen der Angeklagten und Zeugen, deren Erinnerung gewollt oder ungewollt verblasst war, verwertbares Material herauszufiltern. Eine Verurteilung Reichensteins wegen der angeklagten Mordtaten erschien zunächst lediglich über die Aussagen Bünings möglich. Und es würde davon abhängen, wie glaubwürdig der Kronzeuge war. Obwohl die meisten seiner Angaben überprüft und bestätigt worden waren, blieben dennoch berechtigte Zweifel an seiner Integrität. Büning war bisweilen nicht zimperlich mit seinen Aussagen, aber wiederum nicht klug genug, um zu erkennen, dass sein blumiges, ausschweifendes, mitunter theatralisches Gehabe der Sache kaum nutzte. Auch wenn er die Zögerlichkeit und Zaghaftigkeit der ersten Tage abgelegt zu haben schien, ließen seine Aussagen fast ausnahmslos auch andere Interpretationen zu: Hatte die gespielte Harmlosigkeit vielleicht doch Methode? Deckte Büning ganz andere Komplizen oder Mitwisser anstelle von Reichenstein?
    Um mehr über Charakter und Persönlichkeit Bünings zu erfahren, wurden ehemalige Arbeitskollegen und Vorgesetzte gehört. Alle stellten sie dem Angeklagten ein tadelloses Zeugnis aus. So erklärte ein 52-jähriger Werkmeister, unter dem Büning gearbeitet hatte: »Der Fritz war bei uns gern gesehen. Mehrmals hat er Prämien bekommen, zuletzt noch zwanzig Pfennig auf seinen Stundenlohn. Nachdem der Fritz wegen einer Jagdgeschichte im Gefängnis war, habe ich bei den Kollegen rumgefragt, ob er wieder eingestellt werden sollte. Die waren alle froh, als der Fritz wieder da war. Er war sehr fleißig, man konnte ihn bei der Arbeit allein lassen.«
    Dann musste ein Kumpan von Reichenstein aus früheren Tagen Rede und Antwort stehen: der 29-jährige Schlosser Ferdinand Weitzel aus Kaarst bei Neuss. Weitzel war jener Zeuge, der bekunden sollte, wann genau er die beiden Angeklagten erstmals zusammengeführt hatte. Dieses Datum war bedeutsam – und umstritten. Während von Büning behauptet worden war, es

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