Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers
ausgeliehen habe. »Verbrechen stehen damit aber nicht in Zusammenhang«, resümierte Reichenstein gelassen. Er erklärte vielmehr, die Maschinenpistole habe er »aus technischem Interesse« abzeichnen und nachbasteln wollen. Und der aus einem Diebstahl stammende Schmuck sei von ihm »in einem Betonfundament gefunden« worden.
Mit stoischer Ruhe reagierte der Angeklagte auch auf eine Provokation Dr. Lützenraths. Der rief mit erhobener Stimme: »Dreieinhalb Jahre sitzen Sie jetzt in Untersuchungshaft. Ursache sind nur die Darstellungen von Büning. Warum haben Sie nicht einmal mit Leidenschaft Ihre Unschuld betont, wie man das von einem Angeschuldigten erwarten kann?«
Die Antwort kam postwendend, ohne den Hauch eines Zögerns. »Weil ich diese Geschichte seit über drei Jahren kenne und mich nicht mehr darüber aufregen kann. Das müssen Sie bitte verstehen.«
Doch Dr. Lützenrath bohrte weiter: »Warum haben Sie denn nicht ein einziges Mal in überzeugender Manier protestiert? So verteidigt sich doch kein Mensch, der so lange Zeit fälschlicherweise festgehalten wird!«
Aber auch jetzt blieb Reichenstein unbeeindruckt. Kühl gab er zurück: »Weil ich kein Schauspieler bin und meine Gefühle nicht zeigen kann.«
Schließlich ergriff Dr. Näke das Wort. Er fragte: »Was meinen Sie, Reichenstein, warum Büning das alles über Sie sagt, warum er Sie so belastet?«
Der Angeklagte antwortete prompt. »Büning will mir Böses! Sein Motiv kann er nur selbst erklären.«
Auch wenn Reichenstein bei allen Vorhaltungen und Verdächtigungen kalt und souverän geblieben war, seine glatte Fassade hatte erste Risse bekommen. Schließlich hatte er sich in Widersprüche verwickelt, als er zugab, bei einem kleineren Hühnerdiebstahl mitgemacht zu haben. Diese Tat hatte sich jedoch vor dem größeren Hühnerdiebstahl auf demselben Bauernhof am 19. Dezember 1953 ereignet, an dem Reichenstein »nicht teilgenommen« haben wollte. Als Begründung war von ihm am zweiten Verhandlungstag noch im Brustton der Überzeugung verkündet worden: »Ich kenne den Bauernhof doch gar nicht!« Reichenstein hatte also gelogen.
Auch auf die Frage von Staatsanwalt Scherf, wie lange er an dem Runddolch – der war in einem seiner Verstecke am Friedhof in Büderich gefunden worden – gearbeitet habe, hatte Reichenstein wegwerfend geantwortet: »Nur ganz kurze Zeit. Es war eine Kleinigkeit.« Vom Anklagevertreter war ihm daraufhin seine frühere Aussage vorgehalten worden, er habe den Dolch »aus reiner Liebhaberei am Basteln« angefertigt. »Das ist schon eigenartig«, hatte der Staatsanwalt sich mokiert, »dass ein Bastelfreund in möglichst kurzer Zeit einen völlig schmucklosen Dolch anfertigt«. Reichenstein musste abermals gelogen haben. Viele der Prozessbeobachter waren einer Meinung: Der Angeklagte begann sich im Geflecht seiner Lügen zu verheddern. Aber deshalb war er noch lange kein Mörder – schon gar nicht ein Serienkiller.
Anderer Auffassung war Mathias Eynck. Der ehemalige Chef der Sonderkommission »Liebespaare« wurde als Erster von insgesamt zweiundfünfzig Zeugen gehört. Mittlerweile war der Hauptkommissar Leiter der Mordkommission in Hagen. Sein Auftritt wurde mit Spannung erwartet. Die Presse hatte seinerzeit einen Helden gesucht – und ihn ausgeguckt. »Der Mann, der das Monster überführte«, war nicht in Vergessenheit geraten.
Vordringlich ging es bei der Vernehmung des 54-Jährigen um das Geständnis, das er Büning abgerungen hatte und dessen Glaubwürdigkeit. Der Zeuge sagte aus, Büning habe aus drei Gründen zunächst geleugnet: Er habe »aus einem Treuekomplex heraus« das Reichenstein einmal gegebene Wort halten wollen, er sei zudem der Meinung gewesen, man würde ihm nicht glauben, und er habe »ungeheure Angst vor Reichenstein« gehabt. Schließlich habe er die »seelische Last«, die er in all den Jahren mit sich herumgeschleppt habe, »endlich abstreifen« wollen.
Ob man dem Angeklagten glauben könne, wurde der Kriminalist gefragt. Seine Antwort: »Hohes Gericht, wenn ich mir eine persönliche Bemerkung erlauben darf: Büning ist ein Mann, der mit den Augen spricht. Man sieht ihm an, ob er schwindelt oder nicht. Als er seine Geständnisse machte, da war ich überzeugt, dass er die Wahrheit sagt.« Alle Angaben Bünings über die behaupteten Tatumstände – auch bei Verbrechen, von denen die Kripo nichts wusste – seien gründlich geprüft worden. Eynck versicherte: »Ich habe Fritz Büning – obwohl
Weitere Kostenlose Bücher