Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers
in Umständen, um noch so etwas machen zu können.«
Die Szene mit der grünen Jacke wirkte ein wenig wie einstudiert. Bisher hatte niemand – ausgenommen der Hauptangeklagte – den genauen Zeitpunkt des Beginns dieser unheilvollen Männerfreundschaft rekapitulieren können, dann wollten sich urplötzlich und nahezu zeitgleich zwei Zeugen erinnert haben. Und die waren obendrein gut befreundet. Zudem hatte Büning die Frau finanziell unterstützt, angeblich aus »Mitleid«. Waren sich die beiden während der Haft Reichensteins näher gekommen? Hatten die Zeugen jetzt ein schlüpfriges Komplott geschmiedet, dessen Schlüsselfigur Büning war? Wollte man Reichenstein den Mord an Dr. Stürmann in die Schuhe schieben, um ihn ein für alle Mal loszuwerden?
Dem stand jedoch entgegen, dass Klara Reichenstein sich bis dahin nichts hatte zuschulden kommen lassen und einen einwandfreien Leumund hatte – auch als Ehefrau. Allerdings war von ihr mittlerweile die Scheidung eingereicht worden. Aber wer wollte ihr das verdenken! Und auch während der mehrwöchigen Observation Bünings durch die Kripo war kein näherer Kontakt zwischen den Zeugen festgestellt worden. Die Verschwörungstheorie erschien somit weniger wahrscheinlich. Nun existierte endlich neben Bünings Aussage ein weiterer Beweis dafür, dass Reichenstein seinen ehemaligen Kumpan bereits vor dem Mord an Dr. Stürmann gekannt haben musste. Und dies war eine zwingende Voraussetzung, um Reichenstein in diesem Fall überhaupt belangen zu können.
Der Vorsitzende fragte, ob sie die Waffe ihres Mannes gekannt habe. Die Antwort kam postwendend: »Zwei Tage bevor mein Mann aus der Haft wegen des Metalldiebstahls zurückkam, am 17. März 1952, habe ich die Pistole in unserem Garten ausgegraben. Von dem Versteck wusste ich, weil ich meinen Mann mal dabei beobachtet hatte, wie er die Pistole dort vergraben hatte. Ich habe sie einem Arbeitskollegen gegeben. Der heißt Werner Leven und versteht etwas von Waffen. Ich wollte sie nicht ganz veräußern, weil ich nicht wusste, was mir geschieht, wenn ich sie in den Rhein schmeiße. Aber das Ding sollte weg, ich hatte Angst vor der Pistole.«
Reichenstein musste damals eine Gefängnisstrafe abbrummen. Nachdem er aus der Haft entlassen worden war, habe er sie geschlagen, weil von ihr die Pistole weggegeben worden sei, erzählte Klara Reichenstein, sichtlich mit den Tränen kämpfend. »Er konnte so grausam sein, da habe ich’s gesagt, wo die Pistole ist«, erklärte sie. Sie habe auf Verlangen ihres Mannes die Waffe zurückholen müssen. Er habe ihr zwar versprochen, die Waffe wegzugeben, und er habe auch behauptet, sie sei fort, aber geglaubt habe sie das nicht: »Dafür war er ein viel zu großer Waffennarr.« Danach habe sie die Waffe nicht mehr gesehen. Die Zeugin konnte sich nur noch daran erinnern, dass an der Pistole ein Stück der Griffschale gefehlt habe. Identifizieren konnte sie die Waffe aber nicht.
Das alles nahm Reichenstein scheinbar gelassen hin. Nur seine Frau verlor die Fassung, als Dr. König nachfragte: »Sie haben eben gesagt, Ihr Mann sei zu Ihnen grausam gewesen. Haben Sie das wirklich so gemeint?« Da schluchzte die Frau auf und rief mit vor Erregung gerötetem Gesicht: »Ja, mein Mann war grausam! Er hat mich sogar geschlagen und getreten, als ich mit unserem zweiten Kind im sechsten Monat ging …«
Dr. Näke versuchte zu beschwichtigen: »Diese Dinge wollen wir erst später verhandeln.«
Werner Leven, der Arbeitskollege Klara Reichensteins, der die Pistole wenige Tage in Besitz gehabt hatte, konnte die Waffe genau beschreiben – insbesondere die auffälligen Merkmale an der linken Griffschale und der Deckplatte. Zudem sei am Korn der Pistole gefeilt worden. »Ich kannte das von der Wehrmacht«, erzählte der Mann, »da wurde das auch gemacht, um nachts besser zielen zu können.« Und der Zeuge erkannte die Waffe wieder: »Das ist die Pistole, die hier auf dem Richtertisch liegt.«
Und es war auch jene Waffe, die der Schrotthändler Helmut Bolland im Oktober 1953 einige Meter von Reichensteins Behelfsunterkunft entfernt in einem Brombeergestrüpp gefunden und auf Geheiß seines Sohnes bei der Polizei abgeliefert hatte. Die Waffe war schließlich in der Asservatenkammer des Düsseldorfer Polizeipräsidiums gelandet und hatte dort drei Jahre lang vollkommen unbeachtet gelegen. Erst nachdem ein Beamter der Mordkommission bei der Durchsicht alter Akten auf die »08« gestoßen war und einen
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