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Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers

Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers

Titel: Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Harbot
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sei »im Sommer oder Herbst 1952« gewesen, hatte Reichenstein ausgesagt: »Im Frühjahr 1953.« Wenn das stimmte, konnte er Dr. Stürmann nicht erschossen haben – und schon gar nicht mit Büning als Komplizen.
    Weitzel räumte ein, mit beiden je einen Vieh- und Hühnerdiebstahl verübt zu haben. Er selbst habe dabei aber »nur Schmiere gestanden«. Auch bei der Vernehmung dieses Zeugen wurde deutlich, dass Reichensteins Kalkulation aufzugehen schien. Ihm war es nämlich gelungen, den Prozessbeginn durch zahlreiche Beweisanträge, den mehrmaligen Wechsel seines Verteidigers und andere juristische Winkelzüge um Jahre hinauszuzögern. Er hatte darauf spekuliert, dass die Zeugen sich nach bis zu acht Jahren kaum oder gar nicht mehr würden erinnern können. So hieß es denn auch immer wieder: »Das kann ich nicht mehr genau sagen«, oder »es ist schon zu lange her«. Und auch Weitzel war sich keineswegs sicher, wann die Angeklagten sich kennengelernt hatten. Der Zeuge klammerte sich an die Gedächtnisstütze der »Verlagerung des Betriebes«, in dem er und Büning gearbeitet hatten. »Das müsste im Frühjahr 1952 gewesen sein«, erklärte er dem Gericht. Damit setzte Weitzel allerdings ein gänzlich neues Datum, das weder Büning noch Reichenstein genannt hatten. Hilfsweise wurden darum ein Meister und ein Abteilungsleiter der Firma befragt. Doch auch die wussten es »nicht mehr so genau«. Nach stundenlangem Hin und Her musste der Vorsitzende diesen Punkt schließlich zurückstellen.
    In der Nachmittagssitzung wurde der Raubüberfall auf den Bauern Gustav Hagen am 19. Dezember 1953 erörtert. Als Zeuge bestätigte der 24-jährige Arbeiter Klaus Brandt aus Büderich, damals gemeinsam mit Reichenstein und Büning fünfzehn Hühner geraubt zu haben. Reichenstein habe dabei »aus dem Hüftanschlag« gezielt »mit einer großkalibrigen Pistole« auf den herbeieilenden Bauern geschossen.
    »Wollen Sie jetzt gestehen?«, wandte sich der Vorsitzende scharf an Reichenstein. »Was der Zeuge gesagt hat, stimmt genau mit der Aussage Bünings überein – und mit dem, was Sie damals selbst bei der Polizei ausgesagt haben!«
    Der Angeklagte antwortete ungerührt: »Ich habe es Ihnen doch schon einmal erklärt. Ich habe damals fälschlich nur das gestanden, was mir vorgehalten wurde. Ich wollte mich gegen den Vorwurf des Mordversuchs wehren. Heute muss ich aber betonen, dass ich mit dieser Angelegenheit nichts zu tun habe. Die Zeugen sprechen die Unwahrheit.«
    Im Zuschauerraum hörte man empörtes Raunen, als Dr. Näke zum Schluss der Verhandlung mitteilte, dass der Angeklagte seinerzeit eine Verleumdungsklage gegen den Bauern Hagen angestrengt habe. Das passte zu Reichenstein: Weil er mitbekommen hatte, dass Hagen ihn angeblich des Mordversuchs beschuldigte, hatte er versucht, den Bauern mit einer Klage einzuschüchtern und mundtot zu machen. Seine pseudowissenschaftliche Begründung: Der Bauer habe unmöglich ein Geschoss vorbeifliegen hören können, weil der Schall des Abschusses notwendigerweise dieses Geräusch überdeckt haben müsse. Reichenstein hatte dafür die Geschwindigkeit des Schalls und des Projektils, umgerechnet in Meter pro Sekunde, angegeben. Die Klage war allerdings abgeschmettert worden.

31
    11. November 1959, fünfter Verhandlungstag.
    Atemlose Stille herrschte im Gerichtssaal, als Franz Littek den Mord an Dr. Stürmann schilderte. Der mittlerweile 24-jährige Teilhaber an einem Wirtshaus erzählte zunächst, dass er seinen später getöteten Freund unter dem Namen »Dr. Martin« kennengelernt habe. Bevor es zu der Tat kam, habe er sich gelegentlich mit »Teddy« getroffen.
    Am 7. Februar 1953 sei man für den Abend am Graf-Adolf-Platz in Düsseldorf verabredet gewesen und später mit einem Opel-»Kapitän« über die Rotterdamer Straße in Richtung Kaiserswerth gefahren. Am Ende der Rotterdamer Straße habe Dr. Stürmann den Wagen angehalten, dann aber, »weil ein anderer dort parkender Wagen störte«, gewendet und sei ein Stück in Richtung Düsseldorf zurückgefahren.
    Dann schilderte der junge Mann mit dem dauergewellten Haar, der sanften Stimme und den fragenden Augenaufschlägen den Tathergang: »Das Radio lief, wir hörten Musik. Ich sah, wie ein Auto vom Stadion her an uns vorbeifuhr, 50 Meter weiter wendete und mit abgeblendeten Scheinwerfern stehen blieb. Daraufhin kamen über den Promenadenweg zwei Männer näher. Ich habe aber nicht weiter darauf geachtet. Plötzlich stand ein Mann neben der

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