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Der Liebespakt

Titel: Der Liebespakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Leinemann
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selbst fast genauso erstaunt wie Georg) mochte sie die Üppigkeit des
gedeckten Tisches. Allein das Besteck war toll - nicht nur Messer und Gabel lagen mehrmals an jedem Platz, auch Vorspeisenbesteck, Hummerzange, Käsemesser, Obstmesser. Ihr Aufmarsch deutete auf die hohe Zahl von Menügängen an diesem Abend. Dazu die vielen Gläser. Neben dem Champagnerglas standen geschliffene Kristallgläser für Weiß- und Rotwein, ein kleineres für den Dessertwein und ein Likörgläschen an jedem Platz. Das anachronistische Wasserglas war einer der wenigen Kompromisse, die Toni und Margot an den Zeitgeist gemacht hatten.
    Toni schaute zufrieden über die Tafel und die Gäste, die in Zwiegespräche verfallen waren, ihre linke Hand ruhte auf der rechten Hand ihres Mannes, der Hand, an der er weiterhin seinen Ehering trug. Sie sah Karolines irritiertes, deutlich verärgertes Gesicht und Tom neben ihr, der sich wie immer rührend um seine Verlobte bemühte. Zum ersten Mal seit Wochen begann sie, sich wohler zu fühlen. Genauso, dachte sie plötzlich, hätte es die Haubenfrau auch gemacht. Man konnte die Geliebte einstweilen nicht aus der Welt schaffen. Aber man konnte - und musste - ihr zeigen, wo ihr Platz war. Am anderen Ende der Tafel. Karoline konnte mit Georg ins Bett gehen. Aber hier, in großer Gesellschaft, war sie niemand. Offiziell existierte Karoline nicht in Georgs Leben - das würde sie heute den ganzen Abend über zu spüren kriegen. Toni lächelte. Sie fühlte sich unglaublich mächtig. Danke, Haubenfrau!
    Sie drückte noch einmal Georgs Hand, dann stand sie abrupt auf und klopfte gegen das Champagnerglas. Sofort verstummten die Gäste und schauten erwartungsvoll auf die Gastgeberin.
    Jetzt platzt die Bombe, jetzt platzt die Bombe, schoss es Georg durch den Kopf. Jetzt würde Toni seine Affäre öffentlich machen. Weiß der Geier, warum sie dafür so einen absurden Rahmen gewählt hat, aber das war eben typisch Toni. Nichts
war bei ihr einfach, alles durchdacht. Am liebsten hätte er jetzt die Augen geschlossen und alles über sich ergehen lassen - die Schreckensrufe, das Starren danach. Ja, er würde angestarrt werden, er und Karoline. Dann das Geraune: »Zum Glück haben sie keine Kinder.« Und das Gesicht von Tom, seinem Vorstandskollegen. Ein Mann aus dem Geldadel, einer, der ihn - noch - fertigmachen konnte. Georg merkte, wie er dem Skandal, der sich gleich ereignen würde, voranflog. Was er gleich durchzustehen hatte, war für ihn schon fast Vergangenheit. In solchen Krisen zeigen sich Führungsnaturen, dieser Satz ging ihm durch den Kopf. Er fand einen gewissen Trost darin. Danach also. Wie würde es danach beruflich weitergehen? Konnte er noch irgendwo Fuß fassen? Um nicht verrückt zu werden, griff sich Georg seine kunstvoll gefaltete Damastserviette, die vor ihm auf dem Gedeck stand, und hielt sich an ihr fest.
    Dieses feste Zupacken erinnerte ihn an etwas von früher, an einen Ort, an den er immer fliehen konnte, wo keiner danach fragen würde, was vorher war. Er spürte ein flüchtiges, aber besänftigendes Gefühl, das leider sofort danach wieder verflog. Denn nun setzte seine Frau zu ihrer kleinen Ansprache an. Ticktick-tick, machte die Bombe.
    »Für den heutigen Abend gibt es nur ein Motto: die Liebe«, plauderte Toni los. Ihr Ton war leicht und ein wenig ironisch. »Und niemand hat die Liebe so populär gemacht wie die Zeitschrift ›Die Gartenlaube‹.« Sie führte die Gäste in den besonderen Abend ein, erzählte von ihrem 1890 erbauten Verlagshaus und der »Gartenlaube«, von der damals populären Liebe zur Natur und der noch populäreren zu Liebesromanen, die der Zeitschrift, die in diesem Hause gemacht worden war, über Nacht unglaubliche Auflagen beschert hatten. Die Birkenlauben, führte Toni aus, unter denen die Gäste jetzt säßen, seien ein Motiv aus einem der berühmten »Gartenlaube«-Liebe sromane. »Der
Roman trägt übrigens den Titel ›Die Andere‹, aber das tut hier nichts zur Sache«, sagte Toni leichthin, und Georg dachte, Blödsinn, jetzt legt sie richtig los. Aber nein, sie sprach weiter über das Romanmotiv der Hochzeitstafel. In diesem Roman sei die Hochzeitstafel genauso dekoriert und gedeckt worden, es gebe davon sogar eine Illustration. Erst jetzt schien Toni bei ihrem eigentlichen Thema angelangt zu sein.
    »Was für eine wunderbare Zeit, denn diese Romane mit ihren hohen Verkäufen machten die moderne Liebesheirat salonfähig. Bis heute ist das der Grund, warum wir

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