Der Liebespakt
ich, dachte Toni. Sie brauchte einen Befreiungsschlag. Sie wollte wieder stolz auf sich sein. Georg schien sich so unerträglich sicher, für absurde
25 000 Euro alles im Griff zu haben. Das war so schamlos, so respektlos.
Nachdenklich ging Toni die letzten Stufen zur Haustür hinauf. Was hatte sie da eben gedacht: Hat der Alte zu Ende gelesen, wird die Haubenfrau am Arm ihres Mannes nach Hause schreiten, als sei nichts gewesen. Und die Geliebte, die Gärtnerin? Die schaute wütend und plötzlich einsam hinterher. Ja, so konnte man es auch sehen. Womöglich war die Position der Haubenfrau gar nicht so schwach. Womöglich wusste die ganz genau, was sie tat, wenn sie fordernd den Arm ihres untreuen Ehemanns ergriff. Entschlossen griff Toni in ihre Tasche und holte das Handy heraus. Zwanzig Sekunden später hatte sie Margot wieder in der Leitung.
»Ich habe eine ganz besondere Idee für die Abendeinladung«, sagte sie. »Es ist schließlich mein Hochzeitstag.«
3
Zehn Tage später kam Georg zu spät auf seine eigene Party. Nicht skandalös zu spät, er traf zeitgleich mit seinen Gästen ein. Die letzten Tage war er auf einer längeren Geschäftsreise in Russland gewesen, eine enorm wichtige Mission für den Konzern. Nach seiner Rückkehr war er als Erstes vom Flughafen ins Büro gefahren und hatte ein Meeting mit seinem engsten Mitarbeiterkreis einberufen. Seinen Smoking - Toni hatte auf der Einladung um Smoking und Abendkleid für dieses gesetzte Essen gebeten - hatte er sich von seiner Frau ins Büro schicken lassen und sich dort umgezogen. Nun traf er zusammen mit Tom und Karoline ein. Karoline sah aus wie eine Eiskönigin. Sie trug ein langes, mit wenigen Pailletten besetztes schneegraues Kleid, das ihre unglaublich schlanke Figur betonte. Ihr durchgedrückter Rücken und ihre kontrollierte Schulterhaltung gaben ihr etwas wunderbar Herrisches, fand Georg. Diese Frau ist wie ich, dachte er, sie hat Machtinstinkt, wir sind auf Augenhöhe. Sie verdient einen wie mich, nicht einen netten, aber am Ende doch ehrgeizlosen Typen wie Tom. Tom hatte einfach zu viel in die Wiege gelegt bekommen, er wusste nicht, was es hieß, sich anzustrengen. Georg zog Karoline mit Blicken aus, während sie alle drei - Tom, Karoline und er - zusammen im alten Fahrstuhl standen und in Georgs Dachgeschoss fuhren.
Er hatte keine Ahnung, was ihn dort oben genau erwartete. Es war keine Zeit geblieben, ein Auge auf die Vorbereitungen
zu haben. Selbst wenn er sich etwas mehr Kontrolle über die Aktionen seiner Frau gewünscht hätte, ihm fehlte schlicht die Zeit dafür. Vorsichtshalber hatte er einen Freund, der auch sein beratender Notar und Rechtsanwalt war, auf die Einladungsliste gesetzt. Er wusste als Einziger von seinem Deal mit Toni und hatte Georg dringend vorgeschlagen, in nächster Zeit eine richtige notarielle Vereinbarung aufzusetzen, da ein karierter Schmierzettel, auf dem nur eine belanglose Zahl stand, juristisch keinen Wert hatte. Georg hatte seine Frau von Russland aus informiert, dass es bald zum letzten gemeinsamen Notartermin als Ehepaar kommen würde. Insofern war die Anwesenheit von Dr. Edgar Bartsch nur von Vorteil. Sie würde Tonis Spontaneität, die manchmal durchbrach, schon im Zaum halten.
Georg war guter Dinge. In der linken Tasche seiner Smokinghose spürte er das kleine Kästchen mit den Ohrringen, die er für Karoline in Moskau gekauft hatte. Sehr klassische Ohrringe, zwei ebenmäßig gewachsene runde Perlen, die jeweils an einem kleinen Diamanten hingen. Idealer Schmuck für einen Liebhaber, der seiner verlobten Geliebten etwas schenken möchte. Einem Langweiler wie Tom würden diese Ohrringe niemals auffallen. Es war die Art Schmuck, von der Männer dachten, ihre Frauen hätten ihn schon ewig. »Habe ich dir die Ohrringe nicht mal geschenkt?« Karoline würde nicken und sie anlegen. Georg spürte die Vorfreude, wenn er abends Karoline an der Seite ihres Verlobten bei offiziellen Terminen treffen würde und sie dabei seine - Georgs - Ohrringe trug. Eine geheime Botschaft, die nur sie zwei verstanden: Du gehörst mir. Gleich heute Abend, irgendwann während des Essens, würde er die Ohrringe unauffällig Karoline zustecken. Das war Teil des Reizes - eine für andere unsichtbare Affäre zu haben, während man im Fokus der Aufmerksamkeit stand.
An Toni verschwendete Georg in diesem Moment keinen
Gedanken. Er kannte sie in- und auswendig, und genau das langweilte ihn so unsäglich. Toni war eine total gradlinige
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