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Der Liebespakt

Titel: Der Liebespakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Leinemann
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durcheinander.
    Ich brauche Ruhe, dachte Georg. Wie jeden Morgen schaltete er seinen Computer ein, um die wichtigsten E-Mails zu lesen. Hätte er hinunter auf die Straße geschaut, vielleicht hätte er dort seinen Jaguar entdeckt, der jetzt aus der Parklücke fuhr. Doch Georg kriegte davon nichts mit. Er saß mit dem Rücken zum Panoramafenster und blickte auf seinen Bildschirm.
    Das E-Mail-Fach quoll über mit Glückwünschen von Bekannten, Kollegen, sogar von Konkurrenten. Panisch schaltete Georg den Computer sofort wieder aus. Nun war es ganz still im Raum.
    Ihm fiel auf, dass der Hirsch ihn die ganze Zeit anstarrte. Dieses verdammte Vieh wirkte nicht abwesend genug für ein ausgestopftes Tier. Georg musst an den frühen Klaus Kinski denken, der als böser Butler durch die alten Edgar-Wallace-Filme spukte, mit fiebrigen Augen aus den gemalten Augenhöhlen der Ahnenporträts starrte und aufmerksam die Welt der Herrschaft beobachtete. Dieser Hirsch war genauso unheimlich wie Kinski. Bei der nächstbesten Gelegenheit, nahm sich Georg vor, würde das Tier verschwinden. Gleich nach der Wahl zum Vorstandsvorsitzenden würde der ganze Spuk ein Ende haben. Der Schreibtisch konnte bleiben, der Rest flog raus. Toni würde die unsinnige Scheinschwangerschaft beenden, aus der Wohnung
ausziehen, sie würden sich endlich scheiden lassen, und die Zukunft stand ihm wieder offen. All dies hier würde dann endgültig Vergangenheit sein.
    Georg riss seinen Blick vom Hirschen los und zog die lederne Mappe zu sich, die Frau Schurz jeden Morgen neu füllte und auf seinen Schreibtisch legte. Sie enthielt alles Wichtige - Papiere, die seine Unterschriften brauchten. Memos. Reisetermine. Ausgedruckte E-Mails von großer Brisanz. Verträge. Und, wie beruhigend, es befand sich garantiert kein Zeugungs-Glückwunsch darunter. Konzentriert begann Georg zu arbeiten, langsam fiel der private Stress von ihm ab. Die Routine griff. Mit dem Stift in der Hand ging er gründlich Dokument für Dokument durch. Nach fünf Minuten konzentrierter Arbeit entspannte er sich. Er blättere um und wandte sich dem nächsten Dokument, einem Vertrag mit einem japanischen Anbieter, zu.
    »Schlappschwanz!«
    Die Männerstimme war dunkel, rau, sie klang deutlich verlebt. Solche Stimmen hörte Georg nie im Konzern, es gab sie schlichtweg nicht in der Angestelltenwelt der Hochfinanz. Da, wo er herkam, da hatte er manchmal solche Stimmen gehört, unter den Holzfällern im Sägewerk. Das waren Männer ohne Ausbildung. Männer, deren Leben auf die schiefe Bahn geraten war und die sich diese Stimmen mit vielen Zigaretten, Kümmerlingen und extrem derben, wortgewaltigen Auseinandersetzungen redlich verdient hatten.
    Irritiert drehte sich Georg auf seinem rollbaren Schreibtischstuhl einmal um die eigene Achse. Er war allein, kein Zweifel. Nun horchte er in den Raum hinein, es war nichts mehr zu hören, Georg saß fast eine Minute regungslos da, aber nichts geschah. Der Sekundenzeiger seiner Uhr tickte. Georg schüttelte den Kopf. Vielleicht hatte er sich das eben nur eingebildet. Zur Entspannung massierte er kurz seine Schläfen, wie er es im Entspannungsseminar
für Führungskräfte gelernt hatte, und wandte sich wieder seinem Vertrag zu. Die nächsten sechs Minuten war Ruhe. Doch dann.
    »Schlappschwanz!«
    Die gleiche Stimme, der gleiche Mann. Georg sprang sofort hoch, der Bürostuhl kippte nach hinten. Ohne einen Moment zu zögern ging er zu seiner Bürotür und riss sie auf. Frau Schurz schaute erschrocken vom Computer auf.
    »Haben Sie das auch gehört?«, fragte Georg - sein Ton war halb barsch, halb bettelnd, obwohl er genau wusste, dass es unmöglich war, da die Tür zwischen seinem Büro und dem Vorzimmer schallsicher war wie eine Lärmschutzwand.
    »Nein. Was soll ich gehört haben?«, antwortete Frau Schurz nicht besonders überrascht. Nach Tonis Anruf war ja klar gewesen, dass gleich etwas passieren musste.
    »Kriegen Sie raus, ob irgendjemand in den letzten 24 Stunden mein Büro betreten hat. Rufen Sie den Pförtner an, das BKA, von mir aus diese Leute mit den hochsensiblen Spürhunden, egal, Hauptsache, Sie können mir gleich sagen, was hier läuft.« Dann schlug er seine Tür wieder zu. Es musste ja nicht jeder hören, dass er als »Schlappschwanz« beschimpft wurde.
    Wieso eigentlich Schlappschwanz? Ihm fiel Tonis gestriger »Vogue«-Test wieder ein. Da war doch auch diese Testfrage mit der Praxis für Fertilisation gewesen. Eine der Antworten war bei ihm

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