Der Liebespakt
und er erkannte gleichzeitig das fatale Motiv - Toni schwanger, das hatte ihm gerade noch gefehlt. Also versuchte er mit einem Hechtsprung, das Bild irgendwie zu verhindern. Der Junge musste weg, das Kleid musste runter, der ganze Unsinn musste sofort aufhören. Aber er kam zu spät. Wie ein Trottel stand er nun neben Toni, die - wenn man jetzt so dicht in ihrer Nähe stand - offensichtlich noch eine Fahne hatte. Sie hatte zwar viele Pfefferminzbonbons gelutscht, um den Restalkohol zu überdecken, aber der durchzechte Geruch war immer noch da.
»Sie machen sich wohl große Sorgen um den Bauch Ihrer Gattin«, fragte nun Sebastian Koch forsch. Und er legte noch nach: »Die ganze künstliche Befruchtung, die monatelange Belastung, da liegen spätestens mit der Schwangerschaft beim werdenden Vater die Nerven blank. Ich täusche mich doch nicht?«
»Nein, nein, das ist Quatsch«, stammelte Georg. Ihm wurde übel. Gerade bekam er von seiner Frau, die halb betrunken den Betriebskindergarten des Konzerns gestürmt hatte, eine Scheinschwangerschaft angehängt.
»Ist es wirklich Quatsch, wie Ihr Mann sagt?«, richtete der Journalist die Frage jetzt an Toni.
Das Ganze war so nicht geplant gewesen, aber jetzt, wo sich diese Chance so überdeutlich anbot, sich quasi aufdrängte, da
zögerte Toni nicht lange. Sie hatte Georg nur ein wenig vorführen wollen, aber das, was jetzt folgen würde, würde ihm eine echte moralische Schlagseite einbringen. Wie konnte er sich von einer Frau scheiden lassen, die von ihm schwanger war? Er musste mit ihr zusammenarbeiten, wenn er da wieder rauswollte. Es gab immer einen Ausweg - eine schreckliche Fehlgeburt im frühen Stadium, gemeinsam trägt man das Leid, aber dann zerbricht die Ehe doch. Oder eine vorwurfsvolle Fehlgeburt, so wie es damals Nicole Kidman mit Tom Cruise gemacht hatte, als er sie für diese spanische Schauspielerin verließ. Nein, diese Chance würde sie sich nicht entgehen lassen. Nicht nach dem, was ihr Georg angetan hatte.
Sanft legte Toni die Hand auf ihren Bauch, was inzwischen möglich war, denn der kleine Junge hatte zwar immer noch seine Arme um ihre Hüften gelegt, aber jetzt lehnte er sich zurück und sah dabei von unten mit strahlendem Gesicht Toni an. Toni lächelte geheimnisvoll. »Kein Kommentar«, sagte sie, und ihre Fingerspitzen strichen derweil ganz sanft über das aufgeplusterte Kleid, das den scheinbar gewölbten Bauch verbarg. Wieder drückte der Fotograf ab. Ein wunderbares Foto, besonders, weil die Mutter-Kind-Harmonie von Georgs vollkommen entsetztem Gesicht kontrastiert wurde.
Es wurde ein Hingucker am nächsten Tag auf der letzten Seite von Deutschlands größter Boulevardzeitung. Dort, wo der Klatsch stand, wo sich sonst Schauspielerinnen in knappen Bikinis auf den Stränden Sardiniens, der Karibik oder von St. Tropez rekelten. Oder neue schöne Kleider auf dem roten Teppich bestaunt wurden. Dort war nun Toni zu sehen, die scheinbar perfekte Schwangere, umringt von hübschen Kindern und umarmt von einem süßen kleinen Jungen, der sie anhimmelte. Daneben Georg, die Karikatur eines in die Enge getriebenen werdenden Vaters. Noch schlimmer war das zweite Foto,
das zum Glück kleiner abgedruckt worden war, auf dem Georg seinen absurden Hechtsprung vollführte. Dazu der beschwingte Text des Jungredakteurs, der im Moment des Schreibens vor sich hin gesummt hatte, weil er wusste, dass dieses Paar noch für ein paar schöne, knackige Boulevardmeldungen sorgen würde.
»Bei Milliardengeschäften ist dieser Mann cool wie Bruce Willis. Doch wenn es darum geht, Vater zu werden, benimmt er sich wie Mr. Bean. Georg Jungbluth steht kurz davor, Deutschlands topster Topmanager zu werden. Zuwächse ist er gewohnt, aber Zuwachs im eigenen Hause bringt ihn völlig aus der Fassung. Dafür übt seine Frau Antonia schon für die Mutterrolle - im betriebseigenen Konzern-Kindergarten. Test bestanden! Diese schöne Frau hat das Mama-Gen. Aber beruhigt das die Nerven des angehenden Vaters? Noch sieht es nicht danach aus. Zum Glück bleiben ihm noch neun Monate Probezeit.«
9
Der Jaguar parkte schräg gegenüber vom Eingang der Konzernzentrale, sodass Toni einen hervorragenden Überblick hatte. Das Auto stand eingeklemmt zwischen einem Transporter und einem »Ick-koof-bei-Lehmann«-Getränkelastwagen, man entdeckte es erst auf den zweiten oder dritten Blick. Sie hatte den Wagen gestern Nacht einfach aus der Garage gefahren, denn sie brauchte dringend ein Auto. Sie
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