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Der Liebespakt

Titel: Der Liebespakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Leinemann
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hängen geblieben. » Sie lassen sich beim Arzt nichts anmerken, überstehen klaglos die ganze Untersuchung und wissen danach, dass es zumindest nicht an Ihnen liegt.« Hatte ihm Toni damit etwas sagen wollen? Sollte etwa er Schuld an der Kinderlosigkeit dieser Ehe tragen? War er tatsächlich ein Schlappschwanz? Georg zuckte zusammen.
    Plötzlich drängte sich ihm eine Vision auf, eine von kränkelnden Spermien unter dem Mikroskop. Sie drehten sich hektisch
im Kreis, wie ein verrückter Hund, der nach seinem eigenen Schwanz schnappt. Genauso schien der Spermienkopf den Spermienschwanz erwischen zu wollen. Immer schneller, immer kreiselnder bewegten sie sich im Mikroskoplicht, nur ein einsames Spermium schwamm geradeaus, aber es war so deprimierend langsam, dass es in seinem kurzen Leben sicherlich niemals eine Eizelle erreichen, geschweige denn befruchten würde. Stand es so um ihn? Würde er jetzt Kinder aus Malawi adoptieren müssen? Oder sich wie Gerhard Schröder eines Tages in russischen Kinderheimen umschauen? Georgs Hände wurden feucht, er begann zu schwitzen, obwohl es im Raum nicht heiß war.
    Auch der Hirsch schien ihn jetzt höhnisch anzugrinsen. Klar, der hatte vermutlich einen ganzen Wald voll Nachwuchs. Dieser Platzhirsch bestieg und schwängerte in der Saison alles Weibliche seiner Art, das durch Laub raschelte, um das Rudel zu erhalten. Der war potent bis in die Spitzen seines Geweihs. »Verdammt noch mal, Georg, reiß dich zusammen«, ermahnte er sich selbst eine Spur zu laut. »Der blöde Hirsch ist tot, du aber lebst und hast eine superheiße Geliebte.« Ihm kam Karolines atemberaubender Körper in den Sinn. Diese langen Beine, die sich wie ein Tau um ihn schlangen und ihn fixierten, bis er kam.
    »Schlappschwanz«, sagte der Hirsch. Diesmal war sich Georg ganz sicher. Die Männerstimme kam aus der Richtung des Hirsches. Langsam pirschte er sich an das Tier heran, wie ein Jäger, der im Dickicht einen prächtigen Zwölf-Ender entdeckt hat und nun, das Gewehr im Anschlag, die perfekte Schussposition sucht. Er hatte gerade die Arme ausgebreitet, um den Hirschkopf zu packen, da klopfte es an der Tür und Frau Schurz trat ein. Von ihrer Position aus sah es aus, als würde Georg den Hirsch mit ausladenden Armen anbeten. Hektisch drehte sich
Georg jetzt um und schaute Frau Schurz verstört an. Der dreht mir langsam durch, dachte Frau Schurz mitleidig.
    »Ihre Frau war gestern noch in Ihrem Büro, um 23.23 Uhr. Das hat mir eben der Pförtner berichtet, er hatte Ihrer Frau auch aufgeschlossen. Sie hatte behauptet, in Ihrem Auftrage Unterlagen zu holen. Um 23.56 Uhr hat sie das Büro wieder verlassen«, berichtete Frau Schurz.
    Georg ballte beide Hände zur Faust. »Jaaaa«, brüllte er förmlich heraus. »Ich wusste es. Diese Schlampe!« Dann winkte er Frau Schurz hektisch zu sich heran. »Kommen Sie mal her. Sie müssen mir helfen.«
    Frau Schurz durchquerte zögerlich den Raum. Sie war heilfroh, dass es so ein sonniger Apriltag war und der Himmel strahlend blau ins Büro leuchtete. An einem dämmrigen Herbstabend hätte sie längst das Weite gesucht. Ihr Chef schien völlig von Sinnen.
    Georg machte inzwischen ungeduldige Rollbewegung mit den Händen, sie solle sich beeilen.
    »Schlappschwanz«, sagte eine tiefe männliche Stimme. Frau Schurz blieb wie angewurzelt vor der ochsenblutroten Wand stehen. Jetzt schnappte Georg förmlich über. »Haben Sie das gehört, Frau Schurz? Haben Sie das auch gehört?« Er hatte nun beide Hände am Hirschkopf, und einen Moment lang dachte Frau Schurz, er würde das Vieh mit einem Ruck von der Wand reißen. Aber er hob den Kopf nur an. »Schauen Sie darunter nach, Frau Schurz. Irgendetwas muss da sein«, herrschte er seine Sekretärin an. Tatsächlich sah man schon jetzt, dass der Hirschkopf einen Hohlraum im Inneren hatte. Der Rest war Dunkelheit.
    Frau Schurz steckte ihre Hand in den Hirschkopf. Was für ein Albtraum, dachte sie. Das ist also mein Job. Ein durchgeknallter zukünftiger Vorstandsvorsitzender hört Stimmen, die ihn als
Schlappschwanz beschimpfen und die aus einem ausgestopften Hirsch kommen. Und wer macht jetzt die Drecksarbeit? Ich! Was, wenn sich eine Vogelspinne im Hirschkopf eingenistet hat? Oder eine Madenkolonie?
    Gerade als Frau Schurz sich so richtig zu ekeln begann, fühlte sie etwas Hartes, Metallisches. Sie griff danach und zog das Ding so schnell wie möglich aus dem Hirschkopf hervor. Es war ein Handy. Triumphierend hielt sie es Georg hin.

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