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Der Liebessalat

Der Liebessalat

Titel: Der Liebessalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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»Wie kommen Sie auf mich?« fragte Viktor mißtrauisch. Der Agent antwortete auf diese Frage nicht, sondern nannte nur eine utopische Summe. Dafür müsse Herr Goldmann allerdings nicht einen Casanova-Roman schreiben, sondern drei. Trilogien, lange verschmäht, seien wieder im Kommen. Er sehe keine Schwierigkeit, sagte der Agent in gestelzter Anerkennung, für eine von »einem Viktor Goldmann geschriebene« Casanova-Trilogie ein seriöses Verlagshaus zu finden und ein Sümmchen herauszuhandeln, von dem Herr Goldmann mehr als drei Jahre höchst bequem werde leben können. Viktor dachte an seine Lebenshaltungskosten, an die fast nur als Bücheraufbewahrungsgehäuse dienende Wohnung in Frankfurt, an die ungenutzten Hotelzimmer, an die Flug- und Bahntickets, mit denen er schon so manche Frau zu locken versucht hatte und die nicht immer benutzt worden waren. Er lächelte freundlich und ließ den Mann noch so lange reden, bis er genug O-Töne und Kolorit für den Auftritt eines Literaturagenten in irgendeinem nächsten Roman zusammen hatte, dann besuchte er Adrian in seinem Jazz-Plattenladen.
    Seitdem Adrian von seiner letzten Freundin verlassen worden war, hatte er noch immer keine neue Frau gefunden. Er war noch dicker geworden, und weil ihm keine Gefährtin sagte, wie furchtbar es klang, hatte er sich ein neurotisches Schniefen angewöhnt, das jeden, der es hörte, auch sofort neurotisch machen und gegen Adrian einnehmen mußte. »Wenn du das nicht abstellst, findest du nie eine Frau«, sagte Viktor. Dann hörte er drei, vier Stunden die Platten, die Adrian ihm wie exotische Gerichte kredenzte.
    Adrian war der einzige Mann, dem er sich einigermaßen anvertrauen konnte. Mit anderen Männer sprach er nicht gern über Frauen. Manche Männer wurden derb, wenn sie betrunken waren und redeten auf eine Art über das Vögeln, daß man tagelang an diese Tätigkeit nicht mehr denken geschweige denn sie ausüben mochte, und es half nichts, wenn man den Grobian zur Strafe sofort allein ließ mit seinem Drink und seiner Penetrationsprahlerei. Männer dieser Art waren allerdings seltener geworden, aber noch immer gab es sie, noch immer kam es vor, daß unerwartet aus dem dunkelgrauen Anzug eines Schöngeists solcher archaischer Schund hervorbrach. Schlimmer und häufiger aber waren die Männer, die, angesteckt von Viktors Minnesang, nun in Flötentönen von den Frauen sprachen und all die Grazien anhimmelten, von denen sie nicht erhört wurden. Diese Männer waren die wahren Rivalen. Denn das Anhimmeln war Viktors Ressort, und er mochte es nicht, wenn andere Hirsche sich zu ihm gesellten, den Kopf in den Nacken legten und inbrünstig mitröhrten. Verliebte Männer wirkten oft lächerlich, und Viktor wollte auch zu dieser Spezies nicht gehören, die schon das Wort »Frauen« mit Kennermiene so aussprachen, als handle es sich um zerbrechliche Porzellan-Elfen und das Wort »Liebe« so, daß es gleich nach Frühlingsblüten roch. Dann verstummten sie mit verklärtem Lächeln und sahen aus wie Orchideenzüchter oder Schmetterlingssammler. Wenn Männer Frauen vor Augen hatten, konnte ihr Schweigen und Schmachten und Schwelgen und Schwärmen unausstehlich sein. Aus diesem Grund sprach Viktor lieber mit Frauen über Frauen. Selbst Gespräche über das Ficken hatten mit Frauen nie einen unangenehmen Beigeschmack. Man durfte natürlich nicht zu verliebt von anderen Frauen erzählen, das war taktlos und konnte zu Verstimmungen führen. Andererseits kitzelte es auch die Eifersucht und erotisierte die Gesprächssituation. In einem seiner Romane hatte Viktor einem Frauenhelden eine seiner vielfältigen Erkenntnisse in den Mund gelegt: »Erzählt man Frauen seine vergangenen Liebesgeschichten, verscherzt man es sich bei den einen – und die anderen gewinnt man eben dadurch.« Die Tscherkessin hatte äußerst interessiert und angeregt auf seine Frauen-Geschichten reagiert, Ira hatte einigen Sinn dafür, wenn man nicht übertrieb, und selbst Ellen, die allen, die sie kannten als »starke Frau« galt, hatte sich seinerzeit ziemlich amüsiert, als er ihr viele Stunden lang ziemlich detailliert von den Ehen mit Ella und Ira und den dazugehörigen Liebschaften erzählt hatte, um sie vor sich warnen.
    Zustimmung war das letzte, worauf Viktor aus war, wenn er seine Ansichten und Argumente gegen die bürgerliche Ehe und die Treue auspackte. Kaum kam Beifall, fühlte er sich mißverstanden. Unglaublicherweise schien selbst Ellens Schwester, die doch keine

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