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Der Liebessalat

Der Liebessalat

Titel: Der Liebessalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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viel hielt und nicht das Objekt von jahrelanger Poetensehnsucht sein wollte, sondern die handfeste Geliebte eines Mannes, mit dem man sich besser und vor allem obszöner unterhalten konnte als mit ihrem Mathematikprofessorgatten. Doch mit der Unterhaltung war es nicht getan. Ganz klar, daß die Tscherkessin keine Frau war, die sich lang vertrösten lassen würde. »Parler d’amour c’est blabla«, hatte sie einmal gesagt. »Sie wird mir guttun«, sagte Viktor zu Adrian, »aber sie ist eigentlich nur eine enthemmtere, orientalische, ein paar Jahre jüngere Variante von Ira.«
    Adrians Geduld war langsam am Ende.
    »Neulich in der Bibliothek…«, sagte Viktor, und Adrian ergänzte sofort in einem Ton, in dem Erwachsene Kindern Märchen erzählen: »… da, da, zwischen all den vielen, vielen Bücher, saß SIE, die schönste Frau, die Viktor je gesehen hatte. Ihr Haar war noch schwärzer als das der Tscherkessin, und sie war nur halb so alt.« Adrian sprach jetzt im Tremolo der falschen Ergriffenheit: »Blutjung war sie. Da war Viktor nicht mehr zu halten. Rebecca und Ellen und fünfhundert andere Frauen waren vergessen. Er kniete vor ihr nieder und hielt um ihre Hand an…«
    Trotz dieser Parodie auf seine Entflammbarkeit, war es Viktor bald klar, daß er überraschenderweise für das unnahbare Fräulein Strindberg, bei dem seine Chancen gleich null waren, am meisten Liebesgefühle übrig hatte. Sie war wirklich geheimnisvoll, mit ihr zu leben konnte er sich vorstellen.
    Adrian war überrascht: »Mit ihr zu leben?«
    Viktor klärte ihn auf: Die Vorstellung, mit einer Frau zusammenleben zu können, sei eine Art Liebesgradmesser, eine Grundvoraussetzung. Eigentlich wolle er nur mit Frauen zu tun haben, mit denen er sich vorstellen könne, monogam und glücklich zu leben.
    »Aha«, sagte Adrian, »du bist auf dem richtigen Weg, mein Sohn.«
    »Ja«, sagte Viktor und gestand, zwischendurch durchaus von der Monogamie zu träumen: Es müsse wunderbar sein, wenn einem keine andere Frau mehr den Kopf verdrehe. Ein himmlisches ruhiges Leben. Nur leider ein Wahnwunsch. Die grausame Realität sorge dafür, daß man sich drei oder vier, oder auch ein oder zwei oder drei Dutzend Mal in seinem Leben verliebe und daß es dann ziemlich kompliziert werde. Viktor nickte seinen eigenen Gedanken zu. Deswegen haßte er die Kritiken feministischer Rezensentinnen und noch mehr die von eilfertigen feministischen Rezensenten, die seine Romane als Männerphantasien belächelten. Es war die pure Wirklichkeit, zwischen verschiedenen Liebschaften hin und her geworfen zu werden, und wenn er diesen Taumel beschrieb, war das ebenso wenig eine Männerphantasie wie die Sex-Sessions, die mit der rabiaten Tscherkessin auf ihn zukommen würden. Eine nette Männerphantasie war die Vorstellung, mit dem Fräulein Strindberg monogam und glücklich die nächsten Jahrzehnte zu verbringen und jeden Abend ihr süßes kleines spitzes Kinn zu streicheln.
    Das Ausmalen seines alltäglichen Glücks wurde von Adrian unterbrochen: »Was macht Ellen? Wie geht es ihr?«
    Viktor wurde seltsam aufrichtig: »Ich liebe sie immer besonders…«
    Adrian fiel ihm ins Wort, er wußte, wie der Satz weitergehen würde: »… wenn ich in andere Frauen verliebt bin.«
    »Ja«, sagte Viktor trotzig, »wenn ich in andere Frauen verliebt bin, dann…«
    Adrian äffte ihn voraus: »… dann ertrage ich die Ehe besser.«
    Viktor nahm es hin: »Richtig! Dann habe ich das Gefühl, Ellen nimmt mir nichts weg.«
    »Zum Glück bist du nicht glücklich«, sagte Adrian, »sonst wärst du unerträglich.«

Die Besucherinnen

    Viktor Goldmann saß friedlich im Zug von München nach Zürich, und da er nicht wußte, was auf ihn zukommen würde, war er glücklich. Nichts anderes als der Zusammenbruch seines Lebensmodells stand unmittelbar bevor, der sich mit dem Sturz der Bügelbretter im Gästezimmer der Züricher Wohnung neulich schon angekündigt hatte – ein Warnzeichen, das von Viktor nicht erkannt worden war. Die nächsten zwei Jahre würden sehr unangenehm werden für ihn. Und zwar in jeder Hinsicht: privat und beruflich. Noch aber ahnte er nichts. Im Gegenteil: Er fühlte sich besonders wohl.
    Er freute sich über seine Platten und CD-Schätze, die er in Adrians Laden erworben hatte, und darauf, sie in den nächsten Tagen durchzuhören. Erwartungsvoll las er die Texte auf den Plattenhüllen und in den CD-Booklets. Er freute sich, daß er keine Zeitungen gekauft hatte, die ihn davon

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