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Der Liebessalat

Der Liebessalat

Titel: Der Liebessalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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der Wasserburg ihn mit den Worten umarmen: »ua pete enata«– das hieß: wir sind verloren. Und dann wäre es endlich aus mit Viktor Goldmann. Im Fall eines Weiterlebens ließen sich noch folgende Bildtitel Gauguins zur Bereicherung des Gesprächs heranziehen:
    no te aha oe riri – warum bist du böse?
    faturuma – Schmollende, Verdrossene!
    nave nave moe – oh, herrliches Geheimnis!
    parau api – gibt es Neuigkeiten?
    aha oe feii – oh, du bist eifersüchtig!

    Bestens vorbereitet und begeistert traf Viktor anderntags die unbekannte Fremde. Sie hatte wenig von einer entspannten Madame am Wasser, sondern wirkte immer noch verschlossen –»vahine faturuma«– die verdrossene Frau. Sie kam auch nicht aus Tahiti, sondern aus Venezuela. Sie hatte einen deutschen Ingenieur geheiratet, der viel unterwegs war. Sie wohnte außerhalb Frankfurts und langweilte sich. Viktors Gauguin- und Tahiti-Studien erheiterten sie kein bißchen – vermutlich kam sie aus der Oberschicht und empfand die unterstellte Ähnlichkeit mit eingeborenen Frauenzimmern aus der Karibik sogar beleidigend. Am ärgerlichsten wurde sie, als Viktor nach dem Kaffee leichthin à la Gauguin fragte: »Was machen wir jetzt?« Wie sich herausstellte, war sie davon ausgegangen, daß Viktor ein Hotelzimmer reserviert hatte und ihm durchaus klar war, was jetzt zu machen sei. Was Viktor nicht gewußt hatte: Wenn eine lateinamerikanische Frau soweit ging, von sich aus einem Mann eine Verabredung anzubieten, dann schien das eine Art Notruf und zugleich eine sittenwidrige Ungeheuerlichkeit zu sein, die im Klartext nichts anderes hieß als: Liebe machen! Ich will Liebe machen! Akzeptierte man die Verabredung, hatte man natürlich für ein Bett zu sorgen, auf dem man Liebe machen konnte und nicht für eine neckische karibische Phantasiesprache.
    Lange war das her, aber so tief saß das Trauma, diese schöne, stolze Venezolanerin enttäuscht zu haben und ihr als romantischer Narr erschienen zu sein, daß Viktor sich nie mehr mit Frauen treffen wollte, ohne auf alle Fälle ein Hotelzimmer reserviert zu haben. Viel Geld hatte er im Lauf der Zeit für diese Sicherheitsmaßnahme umsonst ausgegeben. Ira war die einzige, die sich davon beeindrucken ließ– allerdings war die Sache bei ihr nicht ganz so eindeutig. Sie war und blieb eine Prinzessin. Sie ließ Viktor nur zu sich in ihr Amsterdamer Bett, wenn er ihr zu erkennen gab, daß er für sich allein ein Hotelzimmer bestellt hatte. Damit bewies er, daß er nicht nach Amsterdam gekommen war, um mit ihr zu schlafen – und zur Belohnung durfte er eben das tun. Viktor hatte Iras Verdrehtheit früher gehaßt, und sicher war diese Unart auch einer der hundert Scheidungsgründe gewesen, jetzt aber begeisterte und reizte ihn die schamlose Offensichtlichkeit, aber auch die innere Notwendigkeit dieses Spielchens. Es ging nicht anders. Nur dann fuhr Ira, wie sie es nannte, auf ihn ab. Nur dann wurde sie hemmungslos heiß, wenn er sein Begehren zeigte und gleichzeitig gentlemanlike und glaubhaft so tat, als wolle er sie nicht mit seiner brachialen Lust belästigen. Genau dann wollte sie brachial belästigt werden. Es war ein Pokerspiel. Er mußte bluffen bis zum Äußersten, sich verabschieden, leise seufzend, aber auch voller Verständnis über ihre Zickigkeit nach seiner Reisetasche greifen, völlig unbeleidigt und souverän »Ade« sagen und zur Tür gehen. Nur dann bestand die Chance, daß sie ihm hinterrannte und ihn zurückzerrte. Was sich dann abspielte an weiblicher Entladung, entschädigte ihn allerdings nicht nur für teure ungenutzte Hotelzimmer, sondern auch für Reisen, die nicht zu dem erhofften Ergebnis geführt hatten. Die Ehe mit einer solchen Frau hatte so nicht funktionieren können, als kapriziöse Geliebte aber war Ira eine Wohltat. Viktor konnte sich ihr vollkommen anvertrauen, jedes tscherkessische Telefonsex-Detail würde er ihr auf Spaziergängen berichten, und bis zu seinem nächsten Besuch in Amsterdam würde es ja wohl zu ganzkörperlichen Begegnungen mit der Tscherkessin gekommen sein, die sich Viktor allerdings derart verworfen vorstellte, daß man sie Ira vielleicht doch nicht in allen Einzelheiten würde erzählen können.

    Der Agent in München versuchte Viktor einzureden, daß es an der Zeit sei, einen Roman zu planen, der die Abenteuer eines modernen Casanova beschreibe, überall gebe es Remake und Remix, jetzt sei es Zeit für »Casanova Remix« oder »Casanova 2000« oder etwas in der Art.

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