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Der Liebessalat

Der Liebessalat

Titel: Der Liebessalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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müssen, würde er gerne etwas politisch werden und aus einem älteren Buch ein paar Rezepte zur Bekämpfung der Ausländerfeindlichkeit aus dem Gedächtnis in Erinnerung bringen. Dabei sah er der Tscherkessin ins Gesicht, um ihr zu zeigen, daß er ihretwegen das Thema änderte. Dann erzählte er ein paar Passagen aus einem Briefroman nach, den er vor Jahren geschrieben hatte und in dem radikale Vorschläge gegen den Rechtsradikalismus gemacht wurden: Rechtsradikale Gewalttäter müßten an die Länder ausgeliefert werden, an deren Bürger sie sich vergriffen hätten. Wer einen Algerier durch die Straßen oder gar zu Tode hetzt, wird nach Algerien ausgeliefert und nach dortigem Recht öffentlich gevierteilt. Wer Perser bedroht und verfolgt, kommt nach Persien und wird dort unter dem Johlen hysterischer Muselmaninnen gesteinigt. Alle Exekutionen werden zur Abschreckung live vom Fernsehen übertragen. Wer Feuer legt an die Häuser von Vietnamesen, wird in Straflagern im südostasiatischen Dschungel nach kambodschanischer Polpot-Manier nach langer Folter ins Jenseits befördert. Antisemitische Übergriffe werden bestraft, indem die Übeltäter nach Israel geschickt und bei der Intifada als lebende Autobomben-Prüfgeräte eingesetzt werden. Das grausame Ende rechtsradikaler Straftäter werde ihre Gesinnungsgenossen in der Heimat möglicherweise zum Nachdenken anregen. Von Menschen ins Jenseits befördert zu werden, die man minderwertigen Rassen zurechnet, kann für einen Neonazi keine angenehme Vorstellung sein. Die letzten tausend Unbelehrbaren würden sich wahrscheinlich dennoch in irgendeinem Kaff in den neuen Bundesländern noch immer Heil-Hitler-kreischend zusammenrotten. In Eberswalde vermutlich. Hier sei dem Innenminister das kurzzeitige Mieten einer schnellen internationalen Eingreiftruppe zu empfehlen, und zwar sei auf weibliche Kämpferinnen zu bestehen. Zwei Hundertschaften gut ausgebildeter Kämpferinnen müßten genügen. Aus Gründen der Symbolkraft und der Ästhetik und der finalen Demütigung der Neonazis sollte es sich um extrem attraktive Frauen handeln, aus Ländern und von Rassen, wie sie die Rechten hassen: ausgesucht schöne, extrem ungermanische dunkle Multikulti-Frauen aus Tunesien und Algerien, Uganda und dem Senegal, aus der Mandschurei und der Türkei und dem wilden Kurdistan, und natürlich aus den Bergen des Kaukasus, sagte Viktor und sah dabei der Tscherkessin unverwandt ins Gesicht, das vor Zustimmung glühte und auf einmal andalusisch aussah. Und Viktor dachte: Wenn sie Spanierin ist und diese gräßlichen Stierkämpfe mag, dann ist es mir auch egal, dann werde ich mit ihr in Barcelona oder Madrid leben und mit ihr an den Sonntagnachmittagen dem blutigen Treiben der Toreros in der Arena zuschauen, wer so aussieht wie sie, der darf ruhig ein bißchen pervers und grausam sein, fuhr fort mit seinen Rechtsradikalenvernichtungsszenarien mitsamt all der Klassefrauen und Rassefrauen aus dem Dschungel von Sumatra und Madagaskar und den palästinensischen und israelischen Schönheitsköniginnen, die im Kampf gegen das wahrhaft Böse und Häßliche den weißlichen deutschen Neonazis ihre häßlichen Nacktschädelschweinsköpfe von den fetten Körpern schössen. Peng, peng, pulp fiction.
    Viktor schwelgte vorsichtig in seiner monströsen Phantasie, die man nicht jedem Publikum zumuten konnte. Nach dem Auftakt mit der störrischen Alten aber hatte er genügend Sympathien gesammelt, um sich einige verscherzen zu können. Bei der Tscherkessin jedenfalls hatte er gewonnen, das war eindeutig. Sie klatschte, als er das Finale beschrieb: Tausend erledigte Skinheads wären das Ergebnis jener Schlacht von Eberswalde. Die arbeitsunwilligen Ostdeutschen verscharrten die Leichen nur oberflächlich, so daß am Morgen, wenn sich die Nebel über dem Schlachtfeld lichteten, vor dem malerischen Hintergrund einer Plattenbausiedlung einige hundert Springerstiefel aus dem Boden ragten, ein Relikt, das man so belassen und konservieren sollte, ein Ort der Besinnung als Pendant zum Holocaustmahnmal in Berlin.
    »Bravo!« rief die Tscherkessin und klatschte als einzige. Viktor las noch einige Stellen aus seinem jüngsten Buch vor, und als er später nach einem Blick auf die Uhr abrupt aufhörte, hatte keiner gemerkt, daß zwei Stunden vergangen waren. Man verlangte nach einer Zugabe. Viktor bedankte sich gerührt und bemerkte mit Sorge, daß die Tscherkessin auf die Uhr sah. Sie durfte keinesfalls verschwinden. Zugaben

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