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Der Liebessalat

Der Liebessalat

Titel: Der Liebessalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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und seine Hoffung auf ihren Anruf durchaus nicht verheimlichen. Alle würden sich einig sein, daß diese Frau, wenn es sie überhaupt gäbe und Viktor hier nicht nur einen seiner primitiven Männerträume zum besten gäbe, niemals so dumm sein werde, mit Viktor noch einmal Kontakt aufzunehmen. Diese eindeutig frauensolidarische und männerfeindliche Vermutung würde Viktor so ärgern, daß er nun die Laszivität von Bettinas Nasenring ausmalen und aus seinem Verlangen nach ihrem handlichen Hintern keinen Hehl machen würde. Das befreundete Paar, Barbara und Thomas, oder Hanna und Carlos vielleicht, beginnt sich zu wundern. Hanna denkt: Das könnte ich mir nicht anhören. Viktor aber ist nicht zu bremsen. Er setzt zu einem zweiten Lob von Bettinas Hintern an. »Das hatten wir schon!« sagt Ellen, und einen Sekundenbruchteil später hat Viktor den Inhalt ihres vollen Weißweinglases im Gesicht. Carlos kommt aus Spanien. Gerade hat er das Temperament seines Volkes gerühmt und das fehlende der Mitteleuropäer beklagt. Keine noch so wilde Tänzerin in Granada oder Sevilla aber hat einem Mann je Wein ins Gesicht geschüttet. Carlos ist beeindruckt. Das hat er in noch keiner Flamenco-Spelunke gesehen. Und noch weniger hat er gesehen, was dann folgt: Viktor nimmt sein Glas, füllt seinen Mund, tut so, als müsse er einen großen Schluck nehmen, um die Demütigung wegzustecken, schluckt aber nicht, sondern prustet Ellen einen Weinstrahl auf die Stirn. Ehe Carlos oder ein anderer Beobachter der Szene eingreifen, die Ehre der Männer retten und die Frauenmißhandlung stoppen können, hat sich Ellen an Hanna gewandt. »Darf ich«, fragt sie, nimmt Hannas Glas, begießt Viktor ein zweites Mal, steht auf und geht zur Toilette, als sei nichts geschehen. Und der völlig durchnäßte Viktor bringt seine Geschichte mit Bettina zu Ende, ebenfalls, als sei nichts geschehen. Es ist schließlich nichts geschehen. In einem Roman würde Viktor das, was stattgefunden hat, »nonverbale Kommunikation« nennen. Es war nicht die feine Art, in Anwesenheit seiner Frau auf das Recht auf außereheliche Gelüste zu pochen. Er hatte diese Anstandsregel verletzt und war dafür bespritzt und begossen worden. Gut so. Er war vorlaut gewesen, und Strafe mußte sein. Diese Aktion hatte bisher zwei Mal stattgefunden, wenn Weißwein getrunken wurde, aber es war Ellen zuzutrauen, daß sie demnächst auch vor vollen Rotweingläsern nicht zurückschrecken würde. Keine andere Frau ging so weit. Das waren die Freuden der Vertrautheit. Viktor liebte Ellen dann sehr.
    Jetzt versuchte er sich an seine Verliebtheit in Sabine zu erinnern. Als sie damals aufgetaucht war, hatte sie eine Hose getragen, wie Viktor sie in einer Erzählung erfunden hatte. Eine lila Lederhose. In der Erzählung fährt ein Journalist zur Frankfurter Buchmesse, über die er einen Bericht schreiben soll. Im Zug sitzt seine Traumfrau. Ihre formvollendeten Beine stecken in einer knallengen lila Lederhose. Der Journalist versucht sich auf seine mitgebrachten Zeitungen zu konzentrieren, mit denen er sich vorbereiten will. Angesichts dieser Frau erscheint ihm das zunehmend frevelhaft. Als er beim ersten Kuß mit der blind tastenden Hand ihren glatt eingepackten Po zu fassen bekommt, ist es um ihn geschehen. Er fährt nicht nach Frankfurt, sondern mit der Lilalen weiter und wird später einen erfundenen Messebericht abgeben. Die Frau und ihre Hose waren eine Erfindung Viktors, der mit dieser Erzählung nicht nur seine Idealfrau skizzieren wollte, sondern auch eine ideales Lebensprinzip: Erst kommt die Liebe, dann die Arbeit. Nicht immer hielt sich Viktor an diese Reihenfolge.
    Bei seiner ersten Lesung in Hannover vor Jahren erblickte er also die erste lila Lederhose seines Lebens an einer wohlgestalten Frau. Der wirkliche Anblick übertraf seine Vorstellung um Längen. Das Schreckliche war, daß ihn Ira begleitete, Viktors damalige Hauptgeliebte und spätere zweite Ehefrau. Die lila Hose entfernte sich nach der Lesung mit der Bemerkung, sie sei wegen Viktor hundert Kilometer mit dem Auto gefahren. Es war Winter, und die Straßen waren glatt. Wäre Ira nicht dabeigewesen, hätte Viktor die Lilane gezwungen, aus Sicherheitsgründen in seinem Hotelzimmer zu übernachten. So mußte er sie ziehen lassen. Die Nacht mit Ira, auf die er sich gefreut hatte, war eine Katastrophe gewesen, weil Viktor ständig an die lila Frau denken mußte und Ira seine Abgelenktheit nicht verborgen blieb. Wieder zu Hause,

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