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Der Liebessalat

Der Liebessalat

Titel: Der Liebessalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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heruntergelassene Visier ihres Helms ihr Gesicht nur erahnen ließ, stellte Viktor sich vor, eine andere Frau würde ihn heute begleiten. Auch das war aufregend. Nach der Tour hatte Viktor in Köln sein Reisebuch geschrieben. Zu einer gemeinsamen Fahrt nach Indien kam es nicht mehr. Ella wollte ihre Ausbildung als Gartenbauarchitektin zu Ende bringen. Sie wollte Kinder adoptieren, denn nach einer unglücklich verlaufenen Abtreibung vor Viktors Zeit konnte sie keine eigenen mehr bekommen. Viktor wollte erst später Kinder, viel später, wenn überhaupt. Sie stöhnten viel übereinander. Immerhin wohnten sie schön. Ein altes Haus mit großem Garten, nahe am Zentrum, nahe am Rhein, günstige Miete ohne die Last des Besitzes. Ein Spielfeld für Gartenbauarchitektinnen, ein Paradies für Kinder. Dann sollte das Motorrad plötzlich abgeschafft werden, weil Ella keine Lust hatte, nach einem Unfall eine querschnittgelähmte Adoptivmutter zu sein. Sie wollte auch keinen querschnittgelähmten Mann. Viktor wollte auch keine Querschnittlähmung, fand den Zusammenhang zwischen Motorradfahren und dem Schicksal im Rollstuhl aber nicht zwingend. Man könne auch vorsichtig fahren und Kinder später adoptieren. Bald fuhren andere Frauen auf Viktors Motorrad mit. Sie rühmten höflich den wunderschönen Garten und wußten nicht, daß Ella täglich Stunden damit zubrachte, das üppige Wachstum unter Kontrolle zu halten, damit es weiterhin üppig blieb. Stöhnend erhob sich Viktor auf Ellas ständiges Bitten vom Schreibtisch, um ihr bei einem Versetzen eines Rhododendrons oder Kirschlorbeerbusches oder beim Absägen dicker Äste zur Seite zu stehen. Dabei sehnte er sich nach Wildwuchs und Weite, nach schweigsamen Fahrten mit dem Motorrad, und die kirschlorbeerblattgrüne Frau hinter ihm war immer häufiger eine andere. Er ertrug die Störungen, weil er in seinen Romanen Ehemänner vorkommen lassen konnte, die ihren Frauen stöhnend bei der Gartenarbeit helfen, und weil er ein immer größeres Recht auf Liebschaften mit anderen Frauen daraus ableitete, je mehr ihm die Ehe als Joch erschien. Als ihn Ella eines Tages bat, sich beim Nachbarn zu beschweren, weil dessen herüberwuchernder Knöterich ihr Geißblatt erwürgte, und ihn dann als Feigling beschimpfte, weil er sich weigerte, fiel zum ersten Mal das Wort Trennung. Obwohl Ella rein gartenbaumäßig völlig recht hatte, fand Viktor ihren Wunsch so ungeheuerlich, daß er nicht mehr einsah, wieso er Ellas engste Freundin Ira, nach deren Umarmungen er sich schon lange verzehrte, mit seinen Nachstellungen verschonen sollte. Sie war alt genug, um »Nein!« zu sagen, wenn sie eine Liebschaft mit dem Mann ihrer besten Freundin geschmacklos fand. Ira hatte aber nicht »Nein« gesagt.

Die Tscherkessin

    Als Viktor von der Toilette in das niedersächsische Nationalgastzimmer zurückkam, war die Tscherkessin Rebecca gerade dabei, aufzubrechen. »Um Gottes Willen, Rebecca!« rief Viktor, und zwar derart entsetzt, daß sie laut auflachte. Sie hob belehrend den Zeigefinger, drückte ihn auf Viktors Brust und schüttelte den Kopf: »Nicht Rebecca! Hast du vergessen, daß ich deine Tscherkessin bin für den heutigen Tag?«
    Das war ein verwandeltes Zitat. Er mußte sie fragen, wie der Satz im Original lautete und vom wem er war.
    »Ich dachte, Sie sind gegangen – mit der reizenden Buchhändlerin.« Das sagte sie ohne Sabines falsche und ohne Ellas echte Bitterkeit. Sie sagte es fast zu gleichgültig.
    »Du«, sagte Viktor.
    Sie verstand nicht.
    »Hast du vergessen, daß du mich eben geduzt hast. Tscherkessin. Es gibt kein Zurück. Tscherkessinnen siezt man nicht.«
    Die Tscherkessin wurde rot, damit hatte er nicht gerechnet.
    »Du kannst das nicht im Ernst geglaubt haben«, sagte er streng.
    Wieder verstand sie nicht.
    »Daß ich hier einfach gehe, ohne, ohne…«
    »… ohne ein Abschiedswort?«
    »Nein«, sagte Viktor, »ohne mich mit dir verabredet zu haben. Tscherkessinnen trifft man nicht alle Tage. Ich bin begeistert von dir. Glaubst du, ich behaupte das nur so? Du bist ein Fund. Ich will dich nicht verlieren. Ich rede doch nicht nur. Du mußt doch merken, daß ich etwas empfinde!«
    Viktor lachte zwar, aber er glühte und meinte es ernst. Er griff nach den Schultern der Tscherkessin, die schon ihren Mantel angezogen hatte, und schüttelte sie wie ein Vater, der streng zu sein versucht. Die Schultern fühlten sich angenehm mager an. »Was kennst du für Männer? Gibt es Männer, die dich

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