Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Liebessalat

Der Liebessalat

Titel: Der Liebessalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
Vom Netzwerk:
Schriftsteller einlädt und im Handumdrehen betört, weil sie sich wie ihre Romanfiguren kleidet. Die Pointe wäre dann, daß all diese Schriftsteller ihr großes Erlebnis literarisch verbraten, und es entstünde eine Reihe ähnlicher Geschichten von erdachten Frauenfiguren, die auf einmal Fleisch und Blut und Wirklichkeit geworden waren.
    »Du hast recht«, sagte Viktor und streichelte Sabine. Sie hatte recht mit ihren Vorhaltungen. Die Vorstellung von ihr als raffinierter oder auch neurotischer Literatennutte mit diesem Anverwandlungs-Trick oder -Tick, die Vorstellung, das ahnungslose Opfer einer sich ständig verkleidenden Spinne zu sein, war sehr viel aufregender als die Frau neben ihm. Wenn Viktor sich in diese aparte Vorstellung versenken oder verrennen oder verbohren würde, das fühlte er, könnte es sein, daß ihm Sabine trotz ihrer etwas schwammigen Arme plötzlich begehrenswert genug erschiene, um ihrer beiden Körper endlich in die klassische Aktion zu versetzen.
    »Wir liegen da wie ein altes Ehepaar«, sagte Viktor, »wir können gleich heiraten.«
    Sabine schnaubte verächtlich: »Das wäre das Letzte!« Sie griff zum Fernbedienungsteil des Fernsehers und begann zu zappen. Es gefiel ihm, wie sie demonstrativ ihre schlechte Laune zeigte. Ihre Gelangweiltheit hatte etwas Laszives, das gut zu ihren rund gewordenen Schultern paßte. Wenn sie jetzt an einem richtig schön billigen Pornofilm hängenbleibt, dachte Viktor, dann packt es mich, dann packe ich sie. Es war deutlich, daß sie das erwartete. Nicht zuletzt diese Erwartung war es, die ihn daran hinderte. Neulich hatte Viktor allein in einem Hotel eine geschlagene halbe Stunde lang einen Pornofilm gesehen, der so faszinierend leidenschaftslos war, daß er schon wieder anregte. Erst hatten drei Frauen sich wechselseitig und nebenbei einen stöhnenden Mann »verwöhnt«– wie es in dem Fall heißt –, dann besorgten es drei Männer gleichzeitig einer Frau. Anatomisch kaum zu begreifen, aber scheinbar keine Bildmanipulation. Wer hat schon Schwänze groß wie holländische Salatgurken, und wie konnten zwei dieser Gebilde gleichzeitig in einer Frau verschwinden, und wie konnte diese Frau mit einer solchen Doppelbelastung völlig selbstvergessen die dritte Salatgurke tief in ihrem Mund verschwinden lassen und mit einem mechanischen Eifer daran herumlutschen wie ein gehorsames Kind, dem man ein zu großes Eis spendiert hatte und das nun mit einem etwas hilflosen und unsicheren Blick, einem Blick voller unehrlicher Dankbarkeit, an den vor ihm stehenden Spender emporblickt? Und wie konnten die drei Salatgurkenmänner mit ihren kleinen blonden Dummköpfen bei diesem erstaunlichen Geschehen so teilnahmslos bleiben? Das Ganze hatte nichts von der Orgie, die man de facto doch zu sehen bekam, und erinnerte in der routinierten Gemächlichkeit, mit der ohne jede Hektik rhythmische Bewegungen ausgeführt und gelegentliche Positionswechsel eingespielt und wortlos vollzogen wurden, an eine althergebrachte und volkskundlich nicht uninteressante Tätigkeit zum Präparieren oder Herstellen irgendwelcher regionaler Spezialartikel. Man hatte nicht im mindesten den Eindruck von irgendeiner sexuellen Lust, es wirkte eher so, als seien hier ein paar friedliche Hand- oder Heimwerker nach einer sonderbaren, aber bewährten Methode mit dem Polstern eines Sessels oder dem Pfropfen eines Weinfasses beschäftigt – und selbst die Ejakulationen wirkten asexuell, als werde hier vorgeführt, wie man mit einem bestimmten weißen Gelee Fugen verdichtet oder irgendwelches Oberflächenmaterial imprägniert.
    Viktor hatte das Gefühl, daß dieser Widerspruch, diese völlig leidenschaftslose Darbietung eines eigentlich leidenschaftlichen Geschehens, heute am Ende eines langen ungewöhnlichen Tages und in Anwesenheit der nicht auf ihre Kosten gekommenen Sabine, eine Art dumpfen Nachahmungstrieb auslösen könnte.
    Sabines Zappen aber förderte nichts Vergleichbares zutage, nur nächtliche Wiederholungen nachmittäglicher Talkshows, schlechte alte Filme, und Verkaufssendungen, wonach »Ihre Freunde« staunen werden, wenn man einen der üblichen völlig unüblichen Hometrainer kauft, der einem in nur drei Wochen einen Bauch wie ein Brett macht und einen Bizeps wie ein karibischer Fischer. Und »Ihr Überraschungsbesuch« wird pausenlos »Wow« sagen, wenn Sie ihm, so wie die schmucke Hausfrau im Film, das sagenhafterweise selbstaufblasbare Gästebett vorführen, auf dem er nächtigen

Weitere Kostenlose Bücher