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Der Liebessalat

Der Liebessalat

Titel: Der Liebessalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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Fundstellen: viermal Goethe, dreimal Grillparzer, einmal Marie von Ebner-Eschenbach und Gustav Freytag, beides vermutlich nicht das Gelbste vom Ei. Ein Märchen der Gebrüder Grimm,
Die zertanzten Schuhe
. 1805 war
Mahomed, der Prophet von Mekka
erschienen, ein poetisches Fragment von der Karoline von Günderode, das in den Zeiten der immer frecher werdenden Muselmanen vielleicht einen Blick wert war. Vormerken! Neben allerlei bekannten und unbekannten Dichtern dann zwei Treffer bei Rilke – und hier war auch schon der Satz, allerdings anders als von der Tscherkessin zitiert: »Hast du vergessen, daß du mein Page bist für diesen Tag?« Kein Wunder, daß er unter »Sklave« vergeblich gesucht hatte. Jetzt war es zwölf Uhr, und er wählte die Nummer der Tscherkessin.
    »Du rufst an«– so gedehnt, wie sie es sagte, mit einer aufreizend verlogenen Überraschtheit, stülpte sich ihre Stimme erneut über seinen Viktor, und alle Sorgen, die Gelüste vom letzten Telefonat könnten sich nun nicht mehr einstellen, waren verflogen. Wenn sie seinen Schwanz mit dem Nachnamen anrede, gefalle ihm das eventuell noch besser, sagte Viktor, und die Tscherkessin ging seltsam willig auf diesen Wunsch ein und drückte und preßte Goldmann sehr bald mit harten Worten, die wie kundige feste Griffe waren, so daß die Erweckungsphase, dieses immer wieder göttliche Erlebnis des eingehauchten Lebens, fast etwas zu schnell vorbei war und Viktor es rasch mit einem starr emporragenden Goldmann zu tun hatte. Er beschrieb ihr, was sie erreicht hatte, natürlich mit den üblichen Übertreibungen, was die Ausmaße und die Härte des Spielzeugs betraf. Sie forderte eine detaillierte Beschreibung dessen, was er nun mit ihr anzustellen gedachte, und er merkte rasch, daß Schilderungen von normalem Sex ihn und sie langweilten, daß seine Angaben präzise und beherrscht kommen mußten und nicht windelweich gestöhnt. Das Ganze war vollkommen neu für Viktor, und es begeisterte ihn, daß er sich in diesem fremden Element sofort zurechtfand und die Regeln begriff, daß er die Gefahr von Albernheiten und Peinlichkeiten rechtzeitig erkennen und vermeiden konnte. Das Schweigen der Tscherkessin war aufregender als der Möchtegernsex in den Stimmchen aller augenblicklich erfolgreichen Popsängerinnen. Wenn Viktor keine Steigerungen mehr einfielen oder er nicht wußte, wie weit er gehen konnte mit ihr, übernahm die Tscherkessin die Regie und lockte ihn in dunkle Verliese, in die er sie von sich aus nicht geschleppt hätte. Es funktionierte großartig, und Viktor bedauerte, daß er sein Leben lang ohne diese Facette des Sexuallebens ausgekommen war. Das war weitaus besser als manches wortlose Normalgerammel, es war gut für die Vorstellungskraft und nicht zuletzt war es eine Formulierungs- und Konzentrationsübung.
    Man mußte ehrlich sein. Denn nur im Zustand des echten Vonsinnenseins war man bereit zu der Terminologie des Obszönen und zu dem nur begrenzt abwechslungsreichen Wortschatz, nach dem die Lust verlangte. Im Zustand der Unlust könnte ein Mensch mit Stilempfinden niemals so viel Kitsch und Redundanz aufbringen oder ertragen. Stand aber der Orgasmus als Ziel vor Augen und war der andere Körper nicht greifbar, dann gab es nur Worte und nichts als Worte, um die Schubkraft zu steigern – und irgendwie war es auch schön, wie da im Endspurt, wenn der Kopf endlich zu keinem klaren Gedanken mehr fähig war, die Worte nur noch zu einer einfallslosen Penetrationslitanei wurden. Der immense Stilverfall war eine Art Beweis für die immense Lust.
    Viktor hatte geglaubt, man müsse sich sehr gut kennen, um dermaßen schamlos werden zu können. Jetzt wußte er, daß man sich sehr gut kennenlernte, wenn man so schamlos miteinander umging. Nachdem der Orgasmus sie beide erfolgreich überfallen hatte, vollendete ein gemeinsames Gelächter über die vollbrachte Tat die phantasierte Vereinigung. Sehr komisch im Nachhinein. »Wo hast du deinen Saft hingespritzt, Goldmann?« fragte sie, und es war reizvoll, daß damit beide angesprochen wurden: Viktor selbst und sein Schwanz. »Taschentuch«, sagte er, »wie Flaubert.«–»Der arme Flaubert«, sagte die Tscherkessin, »er konnte nicht mit Louise Colet telefonieren.« Witzig, daß sie Flaubert bedauerte und nicht seine Geliebte. Die meisten Frauen waren auf Seiten von Louise Colet und hielten Flaubert für ein Scheusal. »Pah!«, sagte die Tscherkessin nur, als er sie daraufhin ansprach. Der Feminismus ging ihr

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