Der Liebesschwur
würde er sicher als Zustimmung auslegen. Ein Blick in Vanes Gesicht genügte. Als sie den Ausdruck seiner Augen sah, reichte das, um ihr zu verraten, dass er ganz genau wusste, was sie dachte.
Glücklicherweise verschwanden Henry und Edmond, ohne sie zu drängen, als sie das Haus betreten hatten. Patience wunderte sich insgeheim. Es war beinahe so, als hätten sowohl Henry als auch Edmond geglaubt, sie müssten sie vor Vane und auch vor Penwick retten, doch als sie im Haus war, glaubten beide, sie sei in Sicherheit. Sogar vor Vane.
Sie konnte sich vorstellen, warum die beiden das glaubten – immerhin war dies das Haus von Vanes Patentante. Sogar für Schwerenöter gab es Grenzen, die sie nicht überschritten. Aber sie hatte ja bereits erfahren, dass Vanes Verwegenheit nicht vorhersehbar war – und sie war auch nicht sicher, wo seine Grenzen lagen.
Sie hatten das Ende der Galerie erreicht, der Flur, der zu ihrem Zimmer führte, lag vor ihnen. Sie blieb stehen, nahm die Hand von Vanes Arm und sah ihn an.
Sein Gesichtsausdruck war milde, seine Augen blickten belustigt, als er sie ansah. Er las in ihren Augen, dann zog er eine Augenbraue hoch und wartete auf ihre Frage.
»Warum sind Sie geblieben?«
Er hielt inne, und Patience hatte das Gefühl, das Netz um sie würde zusammengezogen. Sie fühlte sich wie gelähmt, weil er seine räuberischen Sinne auf sie gerichtet hatte. Es war, als hätte die Welt aufgehört, sich zu drehen, als würde sich eine undurchdringliche Mauer um sie schließen, so dass es nicht anderes mehr gab als nur sie und ihn – und was auch immer es war, das sie zusammenhielt.
Sie sah fragend in seine Augen, aber sie konnte seine Gedanken nicht lesen, bis auf die Tatsache, dass er sie prüfend betrachtete und überlegte, was er ihr sagen sollte. Dann hob er eine Hand. Patience stockte der Atem, als er einen Finger unter ihr Kinn legte. Er hob ihr Gesicht, damit sie ihm in die Augen sehen musste.
Er betrachtete sie. »Ich bin geblieben, um Minnie zu helfen und Gerrard zu helfen … und um etwas zu bekommen, das ich haben will.«
Er hatte die Worte deutlich ausgesprochen, entschlossen, ohne Täuschung. Seine schweren Lider hoben sich. Patience las die Wahrheit in seinen Blicken. Die Kraft, die sie beide gefangen hielt, rührte an ihre Sinne. Ein Eroberer sah sie an, aus kühlen, grauen Augen.
Benommen kämpfte sie darum, genügend Kraft zu haben, um ihr Kinn seinem Finger zu entziehen. Atemlos wandte sie sich um und ging zur Tür ihres Zimmers.
7
Spät an diesem Abend lief Patience unruhig vor dem Kaminfeuer in ihrem Schlafzimmer hin und her. Das Haus um sie herum war still, alle Bewohner hatten sich bereits zurückgezogen. Sie konnte nicht schlafen und hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, sich auszuziehen. Es hatte keinen Zweck – sie würde sowieso nicht schlafen können. Sie war es leid, zu wenig Schlaf zu bekommen, aber …
Sie konnte ihre Gedanken nicht von Vane Cynster losreißen. Er nahm ihre ganze Aufmerksamkeit gefangen, er erfüllte ihre Gedanken. Sie hatte vergessen, ihre Suppe zu essen. Später hatte sie versucht, aus einer leeren Tasse Tee zu trinken.
»Das ist alles sein Fehler«, erklärte sie Myst, die wie eine Sphinx in einem Lehnsessel saß. »Wie soll ich mich vernünftig verhalten, wenn er solche Erklärungen abgibt?«
Wenn er erklärte, sie würden Liebende sein – dass er sich auf diese Art nach ihr sehnte. Patience wurde langsamer. »Liebende, hat er gesagt – nicht Beschützer und Geliebte.« Mit gerunzelter Stirn sah sie Myst an. »Gibt es da etwa einen relevanten Unterschied?«
Myst blickte sie unverwandt an.
Patience verzog das Gesicht. »Wahrscheinlich nicht.« Sie zuckte mit den Schultern und nahm ihre Überlegungen wieder auf.
Nach allem, was Vane gesagt und getan hatte, riet ihr ihr Verstand, dass sie ihm kategorisch aus dem Weg gehen musste. Wenn es nötig war, musste sie ihn mit Missachtung strafen. Jedoch … Sie hielt inne und starrte in die Flammen.
Die Wahrheit war, sie war in Sicherheit. Sie wäre die Letzte, die für einen Gentleman wie Vane Cynster all ihre guten Vorsätze in den Wind schreiben würde. Er mochte auf gewisse Weise fürsorglich sein, er mochte so attraktiv sein, dass sie sich auf nichts anderes konzentrieren konnte, solange er in der Nähe war, doch sie würde niemals vergessen können, was er wirklich war. Seine Erscheinung, die Art, wie er sich bewegte, sein Benehmen, dieser gefährliche Ton seiner Stimme – all das
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