Der Liebhaber meines Mannes
(er liebte alles mit Sahne und Butter. All diese französischen Soßen –
sole au vin blanc, poulet au gratin à la crème landaise?
Und zum Abschluss, wenn ich die Zeit gehabt hatte,
Saint Émilion au chocolat).
Eine Flasche roten Bordeauxwein. Die Laken frisch und sauber, ein Handtuch zurechtgelegt. Ein frisch gebügelter Anzug. Und Musik. All der sentimentale Zauber, den er liebte. Zuerst Caruso (ich habe ihn immer gehasst, aber Michael zuliebe ertragen). Dann sang Sarah Vaughan »The Nearness of You«. Wir klammerten uns aneinander, schoben über den Teppich wie ein Ehepaar, seine Wange glühend an meiner. Mittwoche waren Luxus. Das weiß ich. Das galt für ihn wie für mich. Ich kochte ihm sein Lieblingsessen mit viel Butter (was meinen Magen ganz durcheinanderbrachte), summte »Danny Boy« mit, und er revanchierte sich dafür, indem er Arm in Arm mit mir tanzte. Erst wenn alle Platten gespielt, die Kerzen zu Wachsseen heruntergebrannt waren, zog ich ihn langsam aus, hier im Wohnzimmer, und wir tanzten wieder, nackt, ganz still, außer unserem schneller werdenden Atem.
Aber das war vor langer Zeit.
Er ist so jung.
Ich weiß, dass ich nicht alt bin. Und weiß Gott, durch meinen Polizisten fühle ich mich wieder wie ein Junge. Wie der Neunjährige, der durch das Geländer vor dem Haus seiner Eltern in London zu dem Schlachterjungen spähte, der bei den Nachbarn etwas abgab. Es waren seine Knie. Dick, aber schön geformt, mit Schorf bedeckt, aufregend unbehandelt. Einmal hat er mich den ganzenWeg zu den Läden hinten auf seinem Fahrrad mitgenommen. Ich zitterte, als ich mich am Sitz festhielt und seinen kleinen Arsch auf und ab hüpfen sah, wenn er die Pedale trat. Ich zitterte, aber ich fühlte mich stärker, mächtiger als jemals in meinem ganzen Leben.
Hören Sie zu. Schlachterjungen.
Ich sage mir, dass mein Alter in diesem Fall ein Vorteil ist. Ich bin erfahren. Gut situiert. Ich darf nur niemals onkelhaft sein. Eine alte Tunte mit einem jungen Kerl, der an jeder seiner Pfundnoten hängt. Wird mir das passieren? Wird das aus mir werden?
Ich muss jetzt schlafen.
1. OKTOBER 1957
SIEBEN UHR MORGENS .
Es geht mir besser heute Morgen. Ich schreibe dies beim Frühstück. Heute kommt er. Mein Polizist ist lebendig und gesund und er kommt zu mir ins Museum.
Ich darf nur nicht zu eifrig sein. Es ist wichtig, eine professionelle Distanz zu wahren. Zumindest für eine Weile.
Bei der Arbeit gelte ich als Gentleman. Ich glaube nicht, dass es eine boshafte Andeutung ist, wenn sie sagen, dass ich »kunstsinnig« sei. Es ist von Vorteil, dass die meisten junge Frauen sind, viele davon haben Besseres zu tun, als sich mit meinem Privatleben zu beschäftigen. Die ruhige, loyale, geheimnisvolle Miss Butters – für mich Jackie – hält zu mir. Der Direktor, Douglas Houghton – na ja. Verheiratet. Zwei Kinder, das Mädchen auf der Roedean Schule. Mitglied des Hove Rotary Clubs. Aber John Slater erzählte mir, dass er sich aus der Zeit in Cambridge an Houghton erinnert, wo er angeblich ein entschiedener Ästhet war. Egal. Das ist seine Sache und er hat mir gegenüber nicht die geringste Andeutung gemacht, dass er über meine Homosexualität Bescheid weiß. Wir tauschen nicht mal einen Blick, der nicht vollkommen offiziell und korrekt ist.
Wenn mein Polizist kommt, werde ich ihm von meinem Aktionsprogramm erzählen, dass ich unten in der Eingangshalle eine Reihe von Mittagskonzerten veranstalten will, bei denen der Eintritt für alle frei ist. Musik, die während des Mittagsbetriebes bis zur Church Street dringt. Ich werde sagen, dass ich an Jazz denke, auch wenn ich weiß, dass alles unmöglich ist, was ausgefallener istals Mozart. Die Leute werden stehen bleiben und zuhören, sich hineinwagen und sich vielleicht unsere Kunstsammlung ansehen, während sie da sind. Ich kenne viele Musiker, die sich über die Publicity freuen würden, und was kostet es, ein paar Stühle in die Halle zu stellen? Aber es gibt Widerstand bei denen da oben (das werde ich betonen). Nach Houghtons Ansicht sollte ein Museum ein »friedlicher Ort« sein.
»Es ist keine Bibliothek, Sir«, bemerkte ich, als wir letztes Mal unsere übliche Diskussion über das Thema hatten. Wir tranken gerade Tee nach unserer monatlichen Besprechung.
Er hob die Augenbrauen. Blickte in seine Tasse. »Ist es das nicht? Eine Art Bibliothek für Kunst und Kunstgegenstände? Ein Ort, wo schöne Objekte geordnet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht
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