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Der Liebhaber meines Mannes

Der Liebhaber meines Mannes

Titel: Der Liebhaber meines Mannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethan Roberts
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sagte ich. »Bist du schon mal hier gewesen?«
    »Nein. Ich meine – ich
glaube
nicht … «
    Ich winkte ab. »Warum solltest du? Muffige alte Bude. Aber ich nenne es Zuhause – sozusagen.«
    Ich musste mich bremsen, nicht zwei Stufen auf einmal nehmenddie Treppen hinaufzuspringen, während er mir nach oben folgte.
    »Wir haben ein paar hervorragende Ausstellungen, aber ich nehme nicht an, dass du Zeit hast …«
    »Reichlich Zeit«, sagte er. »An Wochentagen Frühschicht. Um sechs anfangen, um drei frei.«
    Was sollte ich ihm zeigen? Es ist schließlich nicht das British Museum. Ich wollte ihn beeindrucken, aber ich wollte es nicht übertreiben. Mein Polizist sollte lieber etwas Schönes sehen, beschloss ich, als etwas Anspruchsvolles oder Ungewöhnliches.
    »Gibt es irgendetwas, was du dir gerne ansehen würdest?«, fragte ich, als wir den ersten Stock erreichten.
    Er rieb sich die Nase. Zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht viel über Kunst.«
    »Das musst du nicht. Das ist das Wunderbare daran. Es geht darum, darauf zu reagieren. Sie zu erleben, könnte man sagen. Es hat nicht wirklich etwas mit Wissen zu tun.«
    Ich führte ihn in den Raum mit den Aquarellen und Stichen. Das Licht war trübe, leicht grau, und wir waren allein, abgesehen von einem alten Herrn, der mit der Nase beinahe die Glasvitrine berührte.
    »Der Meinung bin ich nicht«, sagte er grinsend. Er senkte jetzt die Stimme, als wir bei den Kunstwerken waren, wie fast jeder es tat. Es ist für mich immer gleichermaßen eine große Freude und ein Geheimnis zu sehen, wie die Menschen ihr Verhalten ändern, wenn sie hierherkommen. Ich weiß immer nicht, ob es tatsächlich Ehrfurcht ist oder ob sie sich nur sklavisch an eine Konvention halten, wie man sich in einem Museum verhält. So oder so. Die Stimmen werden gedämpft, Schritte verlangsamt, Lachen unterdrückt. Sie sind irgendwie versunken. Ich denke immer, dass sich die Leute im Museum in sich zurückziehen und dennoch ihre Umgebung stärker wahrnehmen. Bei meinem Polizisten war das nicht anders.
    »Und wo hast du diese Meinung her?«, fragte ich, wippte auf den Absätzen, lächelte zurück und senkte ebenfalls die Stimme. »Aus der Schule? Der Zeitung?«
    »Einfach die allgemeine Vorstellung. Du weißt schon.«
    Ich zeigte ihm mein Lieblingsstück in der Sammlung, eine Skizze von Turner. Natürlich voll donnernder Wellen und tosender Gischt. Aber ganz zart, in Turners Stil.
    Er nickte. »Es ist – voller Leben, nicht wahr?« Er flüsterte jetzt beinahe. Der alte Herr hatte uns allein gelassen. Ich sah, wie sich die Wangen meines Polizisten färbten, und begriff, welches Risiko er eingegangen war, in meiner Gegenwart so etwas zu äußern.
    »Darum geht’s«, flüsterte ich wie ein Verschwörer. »Du hast es verstanden. Vollkommen.«
    Sobald wir in meinem Büro waren, ging er im Zimmer auf und ab und schaute meine Fotos an.
    »Bist du das?« Er zeigte auf eins von mir, auf dem ich in der Nähe von Merton in die Sonne blinzelte. Es hängt gegenüber von meinem Schreibtisch an der Wand, weil Michael es aufgenommen hat; sein Schatten ist im Vordergrund gerade noch zu sehen. Immer wenn ich das Foto ansehe, sehe ich nicht mich – ein bisschen dünn, viel zu viele Haare, leicht fliehendes Kinn, ungünstig dastehend in einer schlecht sitzenden Jacke mit Hahnentrittmuster –, sondern Michael, wie er seine geliebte Kamera hält, mich auffordert, ganz natürlich zu sein. Jede Sehne seines gelenkigen Körpers in diesem Moment darauf konzentriert, mich aufs Foto zu bannen. Wir waren noch kein Liebespaar und das Foto ist ein bisschen wie das Versprechen – und die Drohung – dessen, was kommen würde.
    Ich stand hinter meinem Polizisten, dachte das alles und sagte: »Das bin ich. In einem anderen Leben.«
    Er machte einen Schritt von mir weg, hustete ein bisschen.
    »Bitte«, sagte ich, »setz dich doch.«
    »Ich stehe ganz gerne.« Er hatte die Hände vor sich verschränkt.
    Kurzes Schweigen. Noch einmal verdrängte ich die Angst, einen schrecklichen Fehler begangen zu haben. Setzte mich hinter meinen Schreibtisch. Hustete ein wenig. Tat so, als würde ich Papiere ordnen. Dann bat ich Jackie, den Tee zu bringen, und wir warteten, ohne uns anzusehen.
    »Ich bin äußerst dankbar, dass du gekommen bist«, sagte ich und er nickte. Ich versuchte es noch einmal: »Willst du dich nicht hinsetzen?«
    Er blickte auf den Stuhl hinter sich und ließ sich mit einem leichten Seufzen endlich auf dem Sitz

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