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Der Liebhaber meines Mannes

Der Liebhaber meines Mannes

Titel: Der Liebhaber meines Mannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethan Roberts
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zusammengekniffen.
    »Lass es«, sagte ich, stand auf und legte eine Hand auf seinen Arm. »Bitte lass es.«
    Wir standen eine ganze Weile beieinander, während er darum kämpfte, seine Atmung wieder unter Kontrolle zu bringen. Schließlich hob er den Unterarm vors Gesicht, rieb sich damit immer wieder über die Augen. »Kann ich was zu trinken haben?«, fragte er.
    Ich holte uns Drinks und wir setzten uns zusammen aufs Sofa und hielten unsere Brandys fest. Ich überlegte die ganze Zeit, was ich sagen könnte, um ihn zu beruhigen, aber mir fielen nur Plattitüden ein und so schwieg ich. Und langsam kühlte sein Gesicht ab und seine Schultern entspannten sich.
    Ich schenkte mir noch einen ein und wagte zu sagen: »Du bist kein Feigling. Es ist mutig von dir, überhaupt hierherzukommen.«
    Er blickte in sein Glas. »Wie machst du das?«
    »Was?«
    »Leben … dieses Leben?«
    »Oh«, sagte ich. »Das.«
    Wo sollte ich anfangen? Ich hatte plötzlich den Wunsch, aufzustehen und umherzuschreiten wie ein Anwalt und ihm eine Wahrheit oder zwei über
dieses Leben,
wie er sich ausdrückt, zu sagen.Mein Leben meinend. Das Leben von anderen. Die moralisch Zügellosen. Die Sexualverbrecher. Die, die die Gesellschaft zu Isolation, Angst und Selbsthass verurteilt hat.
    Aber ich hielt mich zurück. Ich wollte dem Jungen keine Angst machen.
    »Ich habe keine große Wahl. Ich vermute, ich wurstele mich so durch …«, begann ich. »Mit den Jahren lernt man …« Ich verstummte. Was lernt man? Fremde zu fürchten und sogar den Menschen in deiner Nähe zu misstrauen? Möglichst zu heucheln? Dass Einsamkeit unausweichlich ist? Dass dein Liebhaber, mit dem du seit acht Jahren zusammen bist, nie länger als eine Nacht bleibt, sich immer mehr von dir entfernt, bis du schließlich in sein Zimmer einbrichst und seinen kalten, grauen, mit Erbrochenem bedeckten Körper über dem Bett zusammengesackt findest?
    Nein, das nicht.
    Dann vielleicht, dass dich trotz allem die Vorstellung von
Normalität
mit vollkommenem Grauen erfüllt?
    »Also, man lernt so zu leben, wie es möglich ist.« Ich nahm einen großen Schluck Brandy und fügte hinzu. »Wie man muss.« Ich versuchte, die Bilder von Michael aus meinem Kopf zu verbannen. Der Geruch war so schrecklich. Die süßliche Nähe des Todes durch Tabletten. Ein Klischee. Das dachte ich sogar, als ich seinen armen, schönen Körper in den Armen hielt. Sie hatten gewonnen. Er hatte sie gewinnen lassen.
    Ich bin deshalb immer noch wütend auf ihn.
    »Hast du nie daran gedacht zu heiraten?«
    Ich hätte beinahe gelacht, aber sein Gesicht war ernst. »Es gab mal ein Mädchen«, sagte ich, erleichtert, an etwas anderes zu denken. »Wir haben uns gut verstanden. Ich vermute, dass ich daran gedacht habe … aber, nein. Ich wusste, es wäre unmöglich.«
    Alice. Ich hatte eine ganze Weile nicht an sie gedacht. Gestern Abend redete ich es vor meinem Polizisten klein, aber es war alleswieder da: der Moment in Oxford, als ich dachte, dass Alice zu heiraten die beste Lösung wäre. Wir waren gerne zusammen. Wir gingen sogar tanzen. Nach ein paar Wochen merkte ich jedoch, dass sie etwas
nach
dem Tanzen erwartete. Eine Erwartung, die ich nicht erfüllen konnte. Aber sie war heiter, freundlich, sogar aufgeschlossen und mir kam tatsächlich der Gedanke, dass ich mit Alice als Ehefrau vielleicht meiner Homosexualität entkommen könnte. Es würde mir ein angenehm achtbares Leben ermöglichen. Ich hätte jemanden, der sich um mich kümmert und vielleicht nicht zu viele Forderungen stellt. Der vielleicht sogar meine gelegentlichen Sünden verzeihen würde … Und ich mochte sie. Viele Ehen gründen auf viel weniger als das. Dann wurden Michael und ich Liebhaber. Arme Alice. Ich glaube, sie wusste, was – oder vielmehr wer – mich davon abhielt, sie weiter zu treffen, aber sie machte nie eine Szene. Szenen waren nicht Alices Stil, das war eines der vielen Dinge, die ich an ihr mochte.
    »Ich habe vor zu heiraten«, sagte mein Polizist.
    »Hast es vor?« Ich holte Luft. »Du meinst, du bist verlobt?«
    »Nein. Aber ich denke darüber nach.«
    Ich stellte mein Glas hin. »Du wärst nicht der Erste.« Ich versuchte zu lachen. Wenn ich es herunterspielen könnte, dachte ich, könnten wir das Thema fallen lassen. Und je schneller wir das Thema fallen ließen, desto schneller vergaß er vielleicht all den Unsinn und wir könnten ins Bett gehen. Ich wusste, was in ihm vorging. Ich habe es ein paar Mal erlebt. Das

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